Radsport Langenfelder radelt von Paris nach Brest und zurück

Langenfeld. · Klaus Küppers (55) absolvierte die Strecke sechs Jahre nach einem Herzinfarkt.

Ein unvergessliches Erlebnis: Gleich vier Mal radelte der Langenfelder Klaus Küppers bei seiner Tour in den Sonnenaufgang.

Foto: privat

Als der Langenfelder Malermeister Klaus Küppers im September 2013 nach einem schweren Herzinfarkt mit dem Rollstuhl zum Luftschnappen vor die Tür gefahren wird, ahnt er nicht, dass er sechs Jahre später 1200 Kilometer nonstop von Paris nach Brest und wieder zurück fahren würde – mit dem Fahrrad und in nur vier Tagen. Damals wusste der 49-jährige Workaholic nur eines: „Ich muss einen neuen Weg einschlagen, wenn ich weiterleben will.“ Das hieß: Sofort mit dem Rauchen aufhören, gesund essen, nicht mehr so viel arbeiten und endlich Sport treiben. „Laufen und Walken kam für mich nicht infrage“, sagt Küppers heute. „Also kaufte ich mir zwei Monate nach dem Infarkt ein gebrauchtes Herrenrad und fing ganz vorsichtig an. 20 Kilometer am Rhein entlang, dann 30, später 70. Und dann legte sich in meinem Kopf ein Schalter um, und ich hatte den Ehrgeiz, eine dreistellige Zahl zu schaffen, also 100 Kilometer.“

Spätestens nach dieser Hürde stand für ihn das Fernziel fest: 2019 am ältesten französischen Radrennen Paris-Brest-Paris teilzunehmen. Dabei handelt es sich nicht um ein klassisches Rennen, in dem es um Schnelligkeit geht, sondern vorrangig ums Durchhalten.

Im August erfüllte sich Klaus Küppers seinen Traum, und zwar nach monatelangen regelmäßigen harten Trainings mit der Vereinigung der „Randonneure in Deutschland“. Denn starten darf beim Radklassiker in Paris nur, wer alle seine Brevets (Reifeprüfungen) nachweisen kann: 200, 300, 400 und 600 Kilometer am Stück im Fahrradsattel.

Ein großer Moment für den Mann, der nach dem Trauma „Infarkt“ vorübergehend jedes Vertrauen ins seinen Körper und dessen Leistungsfähigkeit verloren hatte. Mit 55 Jahren bewältigte der Langenfelder in den vorgegeben 90 Stunden die Strecke Paris-Brest und zurück. Sonntags um 17.30 Uhr war er mit 300 anderen gestartet. Donnerstags um 10 Uhr kehrte er zurück. Er hatte das Hochgefühl, in vier Sonnenaufgänge zu radeln, hinter sich. Er erzählt von der ersten Nacht und der endlosen Schlange roter Fahrradleuchten, die sich kilometerweit durch die Hügel um Paris schlängelte. Er schwärmt von den fahrradbegeisterten Franzosen, die Kuhglocken nachts am Straßenrand läuteten, damit die Fahrer wach blieben. Und er erinnert sich an das verlockende Angebot heißen Kaffees und duftender Crêpes – spendiert von den Menschen in den Dörfern. Er beschreibt den glücklichen Moment, als er bei Sonnenaufgang die Brücke von Brest erreicht und die Hälfte der Tour geschafft ist. „Ich bin tatsächlich von Paris bis zum Atlantik geradelt“, sagt er und kann es heute noch kaum fassen.

Aber er hat auch den Schlafmangel – O-Ton: „Das war das Schlimmste“ – nicht vergessen. Auf maximal fünf Stunden habe er es in den vier Tagen gebracht, erzählt er. Und die fanden nicht im gemütlichen Bett statt, sondern auf Parkbänken, Wiesen oder in geheizten Bankschalter-Vorräumen mit Videoüberwachung.

31 Prozent der anfänglich 6500 Teilnehmer gaben auf

Von den 6500 Startern im August dieses Jahres brachen 31 Prozent ab. „Schuld war der plötzliche nächtliche Kälteeinbruch von vier Grad Celsius“, berichtet Küppers. Nicht alle hatten ausreichend warme Kleidung dabei. Tagsüber waren es immerhin 30 Grad. Der Langenfelder hielt durch – mit Powernappings (Zehn-Minuten-Schlaf), Baguette am Wegesrand und eisernem Willen. „Ich habe nicht einmal ernsthaft überlegt, abzubrechen“, sagt er. „Irgendwann fährt man dann auch ein bisschen wie in Trance. Es tritt sich wie von selbst vorbei an den zwölf Kontrollpunkten auf der Strecke, wo es Verpflegung gibt. Ich bin aber meistens weitergefahren, weil das Anstehen in der Strecke mich Zeit gekostet hätte“, sagt er. Und die war kostbar. „Man sollte schon im Schnitt über 20 Stundenkilometer liegen, um Pannen und Rastphasen rauszuholen.“

Begleitfahrzeuge gibt es nicht, man fährt für sich allein. Aber bei mehr als 6000 Fahrern trifft man sich immer wieder unterwegs. Diesmal waren unter den mehr als 50 Nationen 540 deutsche Randonneure am Start, 90 Prozent davon Männer. „Was wahrscheinlich dem geschuldet ist, dass man nachts ganz allein unterwegs ist“, sagt Küppers. Das Durchschnittsalter lag bei 50 Jahren. Den Geist des ältesten Radmarathons erklärt er so: „Als ich auf dem Rückweg kurz vor Paris war, kam mir ein Chinese entgegen, der mit mir gestartet war. Wie konnte das sein? Später erlebte ich, dass der Fahrer völlig außer der Zeit nach 150 Stunden zurückkehrte. Er hatte den Rest der Strecke komplett allein bewältigt. Denn die Kontrollpunkte waren lange abgebaut. Der letzte Spätheimkehrer wurde mehr bejubelt als alle anderen. Er hatte durchgehalten.“

„Natürlich bin ich beim nächsten Mal 2023 wieder dabei“, sagt Küppers ohne zu zögern. Und: „Ich möchte anderen Menschen mit ähnlicher Krankengeschichte Mut machen. Man muss nach einem Infarkt nicht im Schonmodus wie ein Frührentner weiterleben. Auch wenn das Risiko des zweiten Infarktes innerhalb der ersten fünf Jahren bei 20 Prozent liegt. Ich habe mir vorgenommen, alles zu tun, was möglich ist, damit mir das nicht noch einmal passiert. Heute fühle ich mich fitter als mit 30.“ Hochgeschwindigkeitsfahren ist dennoch für Infarktpatienten keine Option. Kurze heftige Belastungen müssen vermieden werden, weiß Küppers von seinem Arzt.

Aber Ausdauersport ist ein Muss. Bis zum nächsten Radmarathon bleibt der radelnde Malermeister mit der täglichen Fahrt zum Arbeitsplatz im Training: 80 Kilometer. Langenfeld–Kaarst und zurück. Bei jedem Wetter.