Fachkräfte in Krefeld dringend gesucht Handwerksbetriebe an der Belastungsgrenze

Rhein-Kreis/Krefeld · Wer einen Handwerker sucht, muss sich auf lange Wartezeiten einstellen, denn die Nachfrage ist hoch. Allerdings fehlt es auch an Fachkräften und Auszubildenden. Und durch die Pandemie kommt Material nicht rechtzeitig an.

Termine bei Handwerkern zu bekommen, um Reparaturen oder Umbauten durchführen zu lassen, ist dieser Tage schwierig wie nie zuvor. Handwerker fast aller Branchen sind auf lange Sicht ausgebucht. Viele Unternehmen haben die Auftragsreichweiten, also die für die Zukunft vereinbarten Termine, deutlich erhöht. Trotzdem müssen sie zahlreichen Kunden absagen, sagt Marc Peters, Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Niederrhein, zu der auch der Rhein-Kreis Neuss zählt. „Viele Unternehmen haben früher mit vier bis sechs Wochen Vorlauf gearbeitet. Heute sind es oft acht, zwölf oder mehr Wochen. Trotzdem müssen viele Kunden auch gänzlich vertröstet werden. Die Lage ist wirklich schwierig“, erläutert er. Die Gründe lägen einerseits in der sich immer mehr verschärfenden Fachkräftekrise, andererseits aber auch darin, dass die Nachfrage angezogen habe.

Problem: Unbesetzte Ausbildungsplätze und Zinspolitik

„Wir haben in vielen Unternehmen die Situation, dass sie keine Auszubildenden finden. Viele Ausbildungsplätze bleiben unbesetzt“, sagt Peters. Hinzu komme die aktuelle Zinspolitik. „Die Leute haben vielfach trotz Corona noch Rücklagen. Für diese zahlen sie auf der Bank Strafzinsen. Um das zu vermeiden, versuchen sie, das Geld zu investieren. In vielen Fällen in das Eigenheim. Darum sind alle Arten von Handwerkern, ob Elektriker, Installateure, Dachdecker oder Maler, um nur einige zu nennen, extrem nachgefragt. Das führt dazu, dass die Betriebe schlicht mit der Arbeit nicht nachkommen“, sagt der 52-Jährige, der der Kreishandwerkerschaft seit knapp drei Jahren vorsteht.

Eine zusätzliche Problematik liege in Lieferschwierigkeiten aufgrund der internationalen Lieferketten. „Die Störungen, die Corona im Welthandel hervorgerufen hat, machen sich bemerkbar. Viele Schiffe warten seit Wochen und Monaten vor den großen Häfen auf Entladung. So kann es sein, dass Elektronikbauteile, aber auch Beton, Holz oder andere Baustoffe, nicht verfügbar sind. Das sorgt für zusätzlichen Termindruck und weitere Verschiebungen zu Lasten der Kunden“, erklärt der Jurist.

Eine Besserung der Situation sei kaum in Sicht, auch wenn sich die Lieferprobleme allmählich reduzieren. Grund dafür bleibt der Fachkräftemangel. „Früher war es so, dass ein großer Teil der Menschen die Hauptschule besucht hat. Aus diesen hat sich klassisch ein Großteil der Mitarbeiterschaft des Handwerks rekrutiert. Mittlerweile aber machen die meisten Jugendlichen Abitur, und die Hauptschule ist faktisch abgeschafft. Da steht dann das Studium auf dem Lebensplan, auch wenn viele Absolventen gar nicht dafür geeignet sind und in Berufen, in denen sie mit den Händen arbeiten können, in vieler Hinsicht viel besser aufgehoben wären“, sagt Peters.

Das beginne bei den persönlichen Talenten und ende bei der Wahrnehmung der eigenen Arbeit. „Wenn ich abends nach Hause gehe, dann habe ich Akten bearbeitet, habe Dinge organisiert, Briefe und Memos diktiert und so weiter. Das sind abstrakte Dinge, die man nicht sehen kann. Wenn ein Handwerker nach Hause geht, dann sieht er oder sie eine Mauer, ein Haus, einen Haarschnitt oder gestrichene Räume. Es braucht eine eigene Art der Wahrnehmung, aus abstrakten Erfolgen Befriedigung zu ziehen. Viele Menschen können das viel besser, wenn sie das Ergebnis ihrer Arbeit sehen und fühlen können“, erläutert er. Darum sei das Handwerk für große Teile der Bevölkerung eigentlich ideal. Zumal auch die Verdienstmöglichkeiten nicht oder kaum hinter Studienberufen anstünden.

Handwerker schneiden
beim Verdienst gut ab

„Im Jahr 2020 wurde eine Studie des Tübinger Instituts für angewandte Wirtschaftsforschung veröffentlicht. Dort wurde das Lebenseinkommen von 12 000 Personen analysiert. Ergebnis: Der Lebensverdienst eines Akademikers liegt im Durchschnitt bei rund 1,45 Millionen Euro. Der eines Handwerksmeisters bei im Schnitt 1,41 Millionen. Dabei ist aber zu bedenken, dass der Handwerker sein Geld viel eher verdient. Er verdient sein erstes Geld mit 16 oder 18 Jahren. Der Akademiker oft erst mit Ende 20 oder Anfang 30. Aber wann habe ich Kinder, wann baue ich ein Haus oder investiere in andere Dinge? Meist doch eher in den 30ern. Da hat der Handwerker schon ein gutes Einkommen und Ersparnisse. Der Akademiker hat die finanziell guten Zeiten oft erst Ende 40, Anfang 50“, gibt Peters zu bedenken. Leider sei das in der Bevölkerung noch nicht angekommen. Doch beim Blick in die Zukunft ist Peters beim Thema Fachkräfte grundsätzlich optimistisch. Das Handwerk gehe zunehmend innovative Wege – insbesondere mit Blick auf die Ausbildung.

Die Situation in der Zukunft bleibt abzuwarten. Immerhin: Bislang sei es noch nicht dazu gekommen, dass Handwerker die Not der Kunden ausgenutzt und die Preise drastisch erhöht hätten. In dieser Hinsicht sei das Handwerk noch sehr sozial eingestellt. Für viele Kunden ist das wahrscheinlich nur ein schwacher Trost, denn die Wartezeiten werden in den kommenden Monaten und Jahren aller Voraussicht nach nicht kürzer.