Besuch beim Wagenbauer: Der Schweiß von zehn Tagen

Bildhauer Florian Noever baut die Wagen schon seit mehr als 30 Jahren. Nicht alle seiner Ideen darf er umsetzen.

Krefeld. Die Herzstücke des Karnevals sehen eineinhalb Wochen vor dem Rosenmontagszug noch recht unspektakulär aus. Die meisten Figuren sind noch nicht auf den Wagen montiert, sie stehen inmitten einer kalten Halle an der Vennikelstraße. Routiniert arbeitet der Bildhauer Florian Noever an den drei Wagen, die er für das Festkomitee baut. Unterstützt wird er von seinem Schwager Alfredo Castelo, ebenfalls Bildhauer, den er jedes Jahr für die Karnevalszeit einfliegt. „Tja, wir sind zwei Bildhauer, die sich hier ein schönes Leben machen“, sagt Noever ironisch.

Denn schön ist es in der Halle nicht und gemütlich schon gar nicht. Der Heizlüfter dröhnt ohne Unterbrechung, trotzdem ist es feucht und zugig. Hinter den Karnevalswagen aus den letzten Jahren, die auch in dieser Session zum Einsatz kommen, lagern Stapel von Händen, ein Gorillafuß und ein großes, leicht lädiertes Pferd. „Das kann man recyceln“, sagt Noever pragmatisch. Darum liegt neben dem Pleitegeier auch der Kopf von Oberbürgermeister Kathstede und wartet ebenso auf seinen Einsatz wie ein ausrangierter Fußballspieler.

Der Kopf von Franz Müntefering hat unterdessen schon einen neuen Platz gefunden: Er ziert den Körper vom Ponzelaer, der mit einem Türken — sein Kopf war einmal der von Gerhard Schröder — in der Badewanne sitzt. „Stadtbad Multikulti heißt der Wagen, wenn er fertig ist“, erklärt Noever.

Auch mit seinen anderen beiden Narrenschiffen greift der Bildhauer lokalpolitische Themen auf. Einer Figur sind mit einem rot-weißen Schild die Augen verbunden, vor sie wird eine Stehlampe montiert. Klar, dass es um den Straßenlaternen-Streit geht. „Eigentlich hätte ich gerne noch das Thema erhöhte Mieten umgesetzt, aber das kam zu spät“, bedauert Noever. Denn so spontan kann das Zwei-Mann-Team nicht mehr umplanen. Deshalb hat er für den dritten Wagen einen Hund mit einem Menschen im Maul gebaut. „Das sind die Energiepreise, die uns auffressen“, sagt der 56-Jährige.

Der Hund ist nicht fertig, das Lattengerüst darunter ist noch zu sehen. Darüber modelliert Noever den Draht, anschließend kaschiert sein Schwager die Motive mit Natronpapier und Knochenleim. „Im Prinzip ist das wie bei einem Luftballon, den man mit Pappmaschee kaschiert“, erläutert Noever. Der Knochenleim muss allerdings möglichst heiß sein. „Wenn er kalt wird, wird er zu Gelantine“, weiß Noever.

Zehn Tage braucht das Team im Schnitt pro Wagen, dann wird bemalt, dekoriert und das Gefährt mit Folie bespannt. „Ganz zum Schluss kommt die Beschriftung.“ Der Hundewagen wird dann mit „Leichte Beute“ betitelt.

„Eigentlich wollte ich daraus einen SWK-Wagen machen, aber das geht nicht“, sagt Noever. Der Bildhauer baut nicht nur, auch die Ideen für die Gefährte entwickelt er selber. „Leider“, fügt er hinzu. Denn in Krefeld sei nur wenig los, die kommunalpolitische Lage dünn. „Hier darf man niemandem so richtig auf die Füße treten“, bedauert er. Auch bundespolitische Themen könne er nicht mehr umsetzen.

Als Noever mit dem Wagenbau anfing, war das anders. Seit 1980 ist er verantwortlich, vorher hat er seinem Vater geholfen. „Solange ich denken kann, haben meine Eltern Karneval immer gearbeitet“, erinnert er sich. Er glaubt, dass er sich auch deshalb nie für die tollen Tage begeistern konnte. „Karneval ist für mich kalt, nass, dreckig und bedeutet Arbeit. Karnevalsjeck? Kannste vergessen.“ Trotzdem mache ihm das Kreieren der Gefährte Spaß. „Jedes Jahr etwas Neues zu schaffen, ist schon schön“, sagt er. Doch auch das hat seinen Haken: „Es tut schon weh, dass die Wagen nur für drei Stunden auf der Straße sind. Darüber darf ich gar nicht nachdenken.“

Wie lange Noever sich noch in die Halle stellt, weiß er nicht. „Die Kälte geht schon in die Knochen. Irgendwann ist Schluss“, sagt er. Bis dahin bauen er und sein Schwager auch weiterhin fleißig Wagen um Wagen. Und wer weiß — vielleicht finden Kathstede, Gorilla, Pferd und Pleitegeier ja schon im nächsten Jahr ihren Platz auf den Karnevalswagen.