Die Inhaber von Bäckereibetrieben haben es nicht leicht: Der Mangel an Personal in Produktion und Verkauf macht ihnen ebenso zu schaffen, wie die Anhebung des Mindestlohnes und gestiegene Kosten für Energie und Rohstoffe. Bei Sabine und Holger Krocker waren es gesundheitliche Gründe, die sie nach 32 Jahren zum Aufhören bewogen haben. Klaus Becker, Geschäftsführer der Bäckerei Schollin aus Dinslaken, kam da genau im richtigen Moment vorbei. Der Bäckerladen bleibt dem Stadtteil erhalten, wenn auch unter neuer Leitung.
Die rot-weißen Luftballons an der Eingangstür zeugen von der Neueröffnung. Es hat sich viel getan im Haus an der Forstwaldstraße 111. Es wurde gründlich renoviert, Barrierefreiheit geschaffen, und ein neues kleines Café mit knapp 20 Plätzen lädt nun zum Genießen vor Ort ein. „Mittlerweile sind wir mit 60 Filialen und rund 1000 Beschäftigten am Niederrhein und im westlichen Ruhrgebiet vertreten“, berichtet Geschäftsführer Klaus Becker. „In Krefeld bin ich stets auf dem Weg zwischen unseren Filialen in St. Tönis und Mönchengladbach herumgefahren, um einen Platz für eine neue zu finden. Dabei sah ich diese Bäckerei, aber noch viel mehr: Mein Blick fiel auf den Meisterbrief von Holger Krocker.“
Becker sah, dass er und der Inhaber zur gleichen Zeit den gleichen Weg zur Meisterprüfung bestritten hatten, sie also alte Bekannte sind (WZ berichtete). Das hat die Gespräche erleichtert, die beiden Partner wurden sich schnell einig. „Ein Riesenglück“, sagt Krocker. Becker ergänzt: „Ich wollte zuerst einfach mal fragen, das Ladenlokal sagte uns zu.“
Die Backstube wird
auch weiterhin genutzt
Nun sitzen das Ehepaar und der neue Geschäftsführer gemeinsam gemütlich im Café. Wobei auch die Bäckerei Schollin ihre Probleme hat. „Wir suchen dringend Personal, in Teil- und Vollzeit“, sagt der neue Chef. „Wir gehen davon aus, dass die Menschen in Corona-Zeiten erfahren haben, dass sie auch mit weniger Arbeit auskommen. Fünf Überstunden – mehr geht für sie meist nicht.“ Das Zauberwort heißt Work-Life-Balance. Schollin gleicht den Personalmangel an der Forstwaldstraße derzeit mit Leuten aus anderen Filialen aus.
Die Backstube wird auch noch genutzt, wenn auch nicht im gleichen Umfang wie bisher. Während der größte Teil der leckeren Backwaren aus Dinslaken angeliefert wird, kommen 15 Sorten Brötchen und einige süße Teilchen aus dem Ofen hinter dem Verkaufsraum.
Ab fünf Uhr ist an der Forstwaldstraße geöffnet. Dann gibt es auch schon Frühstück. „Sonntags – dann ist ab sechs Uhr auf – kosten unsere Brötchen statt 42 drei Cent mehr.“ Das reiche jedoch nicht, um die Kosten zu decken, erklärt Becker. Es werde versucht, die Kosten zu kompensieren. „Wir beliefern zudem einige Schulen in Krefeld wie die Marien-, Kaufmanns- und Robert Jungk-Gesamtschule mit Pausenbrot.“
Auch Krocker (56) mag die Hände noch nicht ganz in den Schoß legen und backt weiter. Er nutzt seine bisherige Backstube, um an Wiederverkäufer wie Altenheime, eine Klinik und Kitas liefern zu können. „Ich backe und fahre aus, aber nicht in dem Ausmaß wie bisher. Ich habe früher oftmals um 23 Uhr in der Backstube angefangen und bis 11 Uhr am Morgen gearbeitet. Das geht auf die Substanz.“
Sabine Krockers Arbeitstag dauerte meistens von drei bis 18 Uhr. „Die ersten Berufstätigen und Rentner kamen täglich gegen 4.30 Uhr, letztere zum ersten Plausch. Wir wollen nun kürzertreten. Ich kümmere mich jetzt um die Enkel, zumal die Töchter andere Berufe ergriffen haben.“ Die Krockers sind die vierte Generation im Bäckerhandwerk seit 1909.
Derweil betreten viele Kunden das Geschäft und kommen mit der Bäckertüte wieder heraus. Besonders gefragt ist das Brot, das nach dem Gründungsjahr von Schollin benannt ist: „1853“. Klaus Becker erklärt: „Es ist unser Bestes und besticht durch lange Teigruhe und Reifung. Die kastanienbraune Röstung der Kruste sorgt für das einzigartige Aroma.“