Borderline-Störung: Hilfe für die Grenzgänger

Viele Prominente leiden unter der Borderline-Störung. Sabine Thiel hilft Erkrankten und Angehörigen.

Foto: Andreas Bischof

Krefeld. Sabine Thiel kennt sie alle: Prinzessin Diana, Britney Spears, Amy Winehouse und Angelina Jolie. Zwar nicht persönlich. Dafür aber die extremen Gefühlsschwankungen, suizidalen Krisen, Selbstverletzungen und das chronische Gefühl der inneren Leere, die diese berühmten Persönlichkeiten durchleben oder durchlebt haben. Sie alle haben sich selber immer und immer wieder geschnitten. Sie alle zeigen Symptome von Borderline, einer psychischen Erkrankung. Auch Thiels Sohn hat diese Persönlichkeitsstörung.

„Mit einer Borderline-Störung zu leben, ist ein täglicher Überlebenskampf“, sagt die 49-Jährige. Ein Großteil der Patienten habe in der Kindheit schwerste seelische und körperliche Verletzungen erlebt, außerdem möglicherweise eine Veranlagung für emotionale Dysregulation. Darunter verstehen Mediziner eine schwere Störung der Gefühle.

Unkontrollierbare Stimmungsschwankungen beeinträchtigen die Beziehungen zu Verwandten, Freunden und Kollegen und führen zu starken sozialen Konflikten. Doch während Frauen nach der Diagnose Borderline innerhalb von zwei bis drei Jahren meist einen Psychologen als Helfer finden, traue sich bei betroffenen Männern keiner ran. „Zu groß ist die Angst vor unkontrollierbarer Impulsivität und Aggression.“

Diese Angst hat Sabine Thiel nicht. Sie hat die Selbsthilfegruppe Grenzgänger aufgebaut, Unterstützer gesucht und in Dr. Andreas Horn gefunden. Der Direktor der Psychiatrisch-Psychotherapeutischen Kliniken des Krankenhauses Maria-Hilf der Alexianer pflegt traditionell den Trialog: Für ihn gehören bei der Behandlung von psychiatrischen Krankheiten Ärzte, Patienten und Angehörige an einen Tisch.

Mit Horns Unterstützung baut Sabine Thiel derzeit ein Borderline-Netzwerk auf. Nicht nur in Krefeld, sondern auch in Köln und Berlin. „Wir wollen für Borderliner, Angehörige und Fachleute die Zusammenarbeit zwischen Selbsthilfe, Beratungsstellen, niedergelassenen Ärzten und Therapeuten, Behörden sowie Betreutem Wohnen verbessern“, sagt die ausgebildete psychologische Beraterin.

Seit Anfang des Jahres bietet sie jeweils montags von 10 bis 12 Uhr in den Räumen der Alexianer Krefeld eine von der Novitas BKK finanzierte Sprechstunde mit dem programmatischen Namen „Ich hör Dir zu“ an.

„Und ich höre zum großen Erstaunen vieler Borderliner wirklich zu“, betont Sabine Thiel. Eine wichtige Erfahrung, die viele von ihnen trotz langer Krankengeschichte bisher nicht gemacht hätten. Sie verwende dabei keine Techniken, verfolge keine vorgefassten Theorien, sondern frage vielmehr: „Wohin wollen Sie? Was ist Ihr Ziel?“

Dass man bei Borderline keine Beziehung aufrechterhalten und keine Liebe empfinden könne, Emotionen und Wut nur schlecht steuern könne, lässt sie als obligatorische Aussage vieler Therapeuten nicht zu. Wer als Kind nicht lerne, was Wut ist, wie sie entsteht und wie man mit ihr umgehen kann, habe auch im Erwachsenenalter keine Orientierung. Nicht als Erkrankter, aber auch nicht als Angehöriger.

„Viele Angehörige entwickeln im Zusammenleben eine Depression oder erleben ein Burn-out“, ergänzt Dr. Andreas Horn. Speziell für sie hat Sabine Thiel das sogenannte „Side-By—Side-Training“ entwickelt. Das bietet sie jeden Mittwoch von 13 bis 15 Uhr am selben Ort an.