Buch über psychische Erkrankungen: „Normal wäre ich langweilig“

In einem Buch schreiben Betroffene über gute und schlechte Seiten ihrer psychischen Erkrankung — um damit Mut zu machen.

Foto: Andreas Bischof

Krefeld. Der Buchtitel „Mutmacher“ ist bei vielen der Anwesenden am Donnerstagmorgen Programm und erklärtes Lebensprinzip, auch bei der Pressekonferenz: Im Clubraum der Krefelder Mediothek sitzen Sozialarbeiter, Werkstattleiter, Grafik-Designerin, Fotograf, allen voran die Autoren, interessierte Gäste und Pressevertreter im Kreis neben- und hintereinander, reden, hören zu, fragen — und lachen. Vor allem das.

Der Anlass: Vorgestellt wird das Buch „Mutmacher“, entstanden bei „Impuls“, dem Kompetenzzentrum für Bildung und Arbeit für Menschen mit psychischer Krankheit, erklärt der stellvertretende Geschäftsführer Alexander Schmanke. Impuls, mit vier Werkstätten in Krefeld und im Kreis Viersen beheimatet, wird in diesem Jahr 25 Jahre alt.

„Mutmacher“ ist keine klassische Festschrift, sondern ein Buch von Betroffenen für Betroffene, ihre Angehörigen, Kollegen, Interessierte. Es sind Texte, die Einblicke, Innenansichten und Perspektiven von Menschen mit und ohne psychischer Erkrankung geben — verpackt in grünem Einband und knapp 200 Seiten stark, mit Fotos und typografischen Stilmitteln attraktiv gestaltet.

Thema und Anliegen ist die „Entstigmatisierung psychisch kranker Menschen“, sagt Schmanke. Das ist ein Grund mehr, auch schöne oder lustige Aspekte der Erkrankung darzustellen.

Dafür sorgt beispielsweise Autorin Mirjam Lübke, Diagnose manisch-depressiv. Beim Kaffeetrinken mit Redakteurin Ulrike Brinkmann entstand die Idee zu einem Buch, das sachlich und aus Betroffenensicht über psychische Erkrankungen informiert. Lübke, schreibbegeisterte studierte Historikerin, die in der Druckvorstufe der Impuls-Werkstatt arbeitet, überzeugte auch Kollegen von dem Projekt, und so sind die stärksten Stücke die Texte der Betroffenen. Sie bekennen sich — und werben für Akzeptanz.

„Jeder ist anders normal“, sagt Grafik-Designerin Andrea Wagner, die das Buch mit den transparenten Doppelfotografien von Christoph Buckstegen in aller Freiheit gestalten konnte: „Ein Sahnestückchen für eine Grafikerin.“

„Es war spannend, mich mit meiner Erkrankung auseinanderzusetzen“, sagt Mirjam Lübke, aus deren Feder die Skizzen zu bipolaren Erkrankungen, Depression, Schizophrenie oder Zwang stammen.

Nicht alle Texte fielen ihr leicht. „Ich wollte Mutmacherin sein, aber dazu musste ich auch Sachen preisgeben, die mir peinlich waren.“ Das Ziel war es ihr wert: über Erkrankungen aufzuklären und Menschen zu sensibilisieren. Zu verhindern, dass Betroffene in Schubladen gesteckt werden.

Lübke erzählt, wie sie ihre Reflexion über die Krankheit zu einem neuen Selbstverständnis geführt hat: „Teile der Erkrankung geben ja auch positive Impulse, Energie und Liebe. Würde ich gesund, würden Teile meiner Persönlichkeit fehlen, die ich vermissen würde“, sagt sie. „Nicht jeder ist Opfer seiner Krankheit, sie ist auch ein Gewinn.“

Eine ungewöhnliche Sicht auf ihre bipolare Störung hat auch eine andere Teilnehmerin: „Als normale Frau wäre ich langweilig“, sagt sie. „Ich bin froh, dass ich nichts Schlimmeres habe und die modernen Medikamente mir helfen.“ Phasenweise habe sie „Spaß ohne Ende“.

„Es soll normal werden, über die seelische Gesundheit zu reden“, formuliert Ulrike Brinkmann ein Ziel der Impuls-Öffentlichkeitsarbeit. Der Grat zwischen „gesund“ und „krank“ sei schmal: „Wie viel Angst darf ich haben und wann wird es krankhaft?“