„Damit kann man zehn Pfeile in ein Geldstück schießen“
Der gute alte Bogen aus Holz ist beim Krefelder Sportschützenkorps eher die Ausnahme. High-Tech-Modelle sind trotzdem nicht jedermanns Sache.
Krefeld. Die Evolution des Pfeils verlief in drei Schritten: Erst war er aus Holz, dann aus Aluminium und schließlich aus Carbon. „Das hat dazu geführt, dass Pfeile immer schneller und genauer wurden“, erklärt Elmar Schummers. Er muss es wissen, denn er ist Abteilungsleiter Bogen beim Krefelder Sportschützenkorps (KSSK).
Horst Nowack trainiert in diesem Verein seit sechs Jahren, er kennt die Entwicklungsgeschichte des Pfeils auch. Trotzdem bevorzugt er die der untersten Evolutionsstufe. Die sind handgemacht — ein Schaft aus Zedernholz bestückt mit einer Eisenspitze und drei Gänsefedern. „Zedernholz ist meiner Ansicht nach das beste Schaftholz von allen. Es wächst gleichmäßig und ist sehr flexibel“, sagt Nowack.
Knapp eine Stunde braucht er, um einen solchen Pfeil zu fertigen. Um ihn zu verschießen, braucht er etwa drei Sekunden.
Spannen, halten, lösen: Die Sehne schnellt flappend nach vorn, der Pfeil fliegt zischend durch die Luft und versinkt mit einem dumpfen Plopp in der Strohscheibe. „Das war lausig“, sagt Nowack und lässt seinen Langbogen sinken. Der besteht nur aus den beiden hölzernen Wurfarmen, bespannt mit einer Kunststoff-Sehne — er ist also nicht gerade auf dem neuesten Stand der Bogen-Technologie.
„Langbögen gehören genau wie Blankbögen eher zu der Low-Tech-Fraktion“, erklärt Schummers. Blankbögen unterscheiden sich von den mannshohen Langbögen vor allem dadurch, dass sie kürzer sind. Außerdem sind die Enden der beiden Wurfarme ein wenig nach außen geschwungen — das ist der sogenannte Recurve.
Mit dem Recurvebogen, der diesen Schwung im Namen trägt, haben sie aber nur wenig gemein. „Recurvebögen und Compoundbögen bilden die High-Tech-Fraktion unter den Bogenarten“, erläutert Schummers. Der Recurvebogen zeichnet sich dadurch aus, dass er mit einem Stabilisator und einem Visier ausgestattet ist. Der Stabilisator diene dazu, die Kräfte, die beim Halten und Lösen der Sehne wirken, ein wenig aufzufangen, das Visier erleichtere das Zielen, sagt Schummers.
Der Compoundbogen sei zusätzlich noch mit Rollen an den Wurfarmenden ausgestattet: „Die erleichtern zwar nicht das Spannen der Sehne, wohl aber das Halten der gespannten Sehne. Statt 60 Pfund muss man dann nur noch 20 Pfund Zuggewicht kontrollieren. Dadurch kann man sich besser auf das Zielen konzentrieren.“
Die 22 Bogenschützen des KSSK, die an diesem Tag in der Turnhalle Girmesgath zum Training zusammengekommen sind verwenden alle vier Bogenarten. Sie stehen nebeneinander in einer Reihe und schießen auf neun Strohscheiben, die in 25 Metern Entfernung aufgestellt sind. Nachdem jeder Schütze drei Pfeile verschossen hat, ertönt ein Pfiff. Dann überschreiten die Schützen gemeinsam die weiße Schießlinie und gehen Richtung Scheiben, um ihre Ringe zu zählen und ihre Pfeile zu ziehen.
Auch Nowack macht sich auf den Weg. Wie die anderen Schützen lässt er seinen Bogen in einem speziellen Ständer hinter der Schießlinie zurück. Der schlichte Langbogen unterscheidet sich auch optisch sehr von den mit allerlei Mechanik hochgerüsteten Recurve- und Compoundbögen.
Nowack weiß die Präzision dieser Sportgeräte zu schätzen: „Damit kann man zehn Pfeile in ein Geldstück schießen.“ Verwenden möchte er sie aber nicht: „Zu viel Schnickschnack. Der Langbogen ist unmittelbarer. Wenn es schlecht läuft, bin ich immer selber schuld, nie der Bogen — der ist wie ein Spiegel.“
Es gibt aber noch einen anderen Grund, warum er High-Tech-Bögen meidet. Er ist von Beruf Ingenieur und deshalb potenziell suchtgefährdet: „Wenn ich so eine Maschine hätte, käme ich wahrscheinlich gar nicht mehr aus der Werkstatt raus.“
Deshalb verwendet er seine beruflichen Fertigkeiten lieber für andere Dinge. Einmal, erinnert er sich lachend, habe er eine fahrende Zielscheibe in Form eines Schweins gebaut: „Und die ist sehr gut angekommen!“