Der Künstler an der Baggerschaufel
Dominik Sarna unterstützt mit seinen Maschinen die Archäologen des Museums Burg Linn bei ihren Grabungen in Gellep. Da ist Präzision gefragt. Das ist seine Geschichte.
Gellep-Stratum. Ganz vorsichtig, Schicht für Schicht, trägt Dominik Sarna auf dem Grabungsgelände in Gellep die sandige Erde mit einem Bagger-Löffel ab. Eine hastige Bewegung oder ein zu tiefes Ansetzen könnten den unter der Erde liegenden Fund beschädigen. Kein Problem für Sarna. Er ist Profi, weiß Erdbewegungen zu deuten und arbeitet schließlich seit 14 Jahren mit Löffeln. Ganz glatt lässt er die bearbeitete Fläche zurück.
Dass es sich hierbei nicht um irgendeinen Löffel handelt, ist schnell klar. Sein Werkzeug ist ein 2,40 Meter langer Böschungslöffel — für den Laien eine Baggerschaufel. Damit legt der gelernte Baumaschinist auf seinem 25-Tonnen schweren Bagger Millimeter für Millimeter die Erde frei, löst sie und transportiert sie ab. Der 44-Jährig ist stolz, Teil der größten archäologischen Grabungen in der Geschichte des Museums Burg Linn zu sein, die auch bundesweit von herausragender Bedeutung sind. Von anfangs etwa vier Hektar (das sind 40 000 Quadratmeter, das entspricht der Fläche von rund fünf Fußballfeldern) ist nur noch ein halber übrig. „Bei dem Rest handelt es sich aber um sogenannte Altgrabungen, die man sich sparen kann“, erklärt Sarna.
Eigentlich sollten die Arbeiten Ende Dezember 2017 beendet sein. Doch das Team um Stadtarchäologen Hans-Peter Schletter hat nun Zeit bis Ende Februar. 3500 Befunde seien bislang auf dem Gelände, das vom Düngemittelproduzenten Compo auf der einen und dem denkmalgeschützten Castell der Römer auf der anderen Seite, eingerahmt ist, gefunden worden. Bis dato haben die Wissenschaftler ohne Pause gegraben — und gebaggert.
Dass eine derart präzise Arbeit überhaupt mit so einem Ungetüm möglich ist, verwundere viele, erklärt Sarna. Bagger seien schließlich nicht für ihre anmutenden Bewegungen bekannt, witzelt er. „Einen Bauunternehmer für archäologische Grabungen zu engagieren, würde keinen Sinn machen“, sagt der gebürtige Pole. Die Bagger würden zu viel kaputt machen. Und bis man den Arbeitern erklärt hätte, worauf sie achten müssen, würde viel kostbare Zeit vergehen.
Deshalb trifft es sich gut, dass Sarna auch Grabungstechniker ist und weiß, worauf es bei solchen Arbeiten ankommt. „Das erleichtert die Zusammenarbeit zwischen mir als Dienstleister und dem Museum Burg Linn ungemein“, sagt er. Keramik-, Räucher- und Feldbacköfen aus dem 1. bis 3. Jahrhundert nach Christus, die Aufschluss auf die Siedlung (Vicus) nahe des römischen Feldlagers geben, oder Pferdeskelette aus der Bataverschlacht haben die Wissenschaftler gefunden. Doch wie kam Sarna überhaupt zu diesem Beruf? „Ich bin 1995 nach Deutschland gekommen, um Rechtswissenschaften zu studieren“, erinnert sich Sarna. Eigentlich. Als er aber 1996 anfing bei einer Ausgrabung am Heumarkt in Köln als „Schippenknecht“, wie er es nennt, mitzuwirken, war es um den jungen Mann geschehen. „Während der Grabungen habe ich meine Liebe zur Archäologie entdeckt. Das war absolut mein Ding“, erinnert er sich. Durch die Mitarbeiter lernte er, wie man unter anderem Ausgrabungen vorbereitet, vermisst, Befunde dokumentiert und inventarisiert.
„Ich habe alles gelernt, was ein Grabungstechniker wissen muss. Hierfür ist praktisches Arbeiten die beste Schule“, sagt Sarna. Er blieb am Ball — und machte sich einen Namen. Es folgten weitere Grabungen in mehreren Bundesländern und den Niederlanden, wo der Autodidakt sich weiter „fortbildete“. Irgendwann habe er sich dann selbstständig gemacht. 2004 legte er noch eine Ausbildung zum Baumaschinisten nach.
„Ich habe gesehen, wie während der vielen Grabungen, an denen ich teilgenommen habe, Bagger eingesetzt wurden. ,Das geht doch auch bestimmt anders’, dachte ich damals“, erzählt er. Also gründete er seinen eigenen Dienstleistungsbetrieb als Grabungstechniker und Baumaschinist. Sein archäologisches Wissen und die vielen verschiedenen Grabungstechniken, die er während der Jahre gelernt hat, halfen ihm dabei, den Bagger zu führen. „Man muss den Boden lesen und interpretieren können. Erst dann kann man mit dem Baggerlöffel ansetzen. Und da ich vom Fach bin, ist das ein Plus für viele Arbeitgeber.“
Allerdings ist die Arbeit als Bagger-Fahrer nicht ganz ungefährlich. „Bei dieser Grabung haben wir zwar keine Hinterlassenschaften aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden, aber die Gefahr ist natürlich da“, erzählt er. Und dann säße derjenige im Führerhaus am kürzeren Hebel. „Das gehört aber zum Job“, sagt Sarna gelassen. Dass er seine Arbeit mit viel Leidenschaft macht, merkt man ihm an. Nach den Grabungen in Gellep steht auch schon das nächste Projekt für ihn an. Dann zieht es ihn nach Garzweiler (bei Jüchen). Dort wird er nach Steinartefakten graben — und seiner Liebe zur Archäologie weiter nachgehen.