Die Einhorn-Apotheke wird 140 Jahre alt

1991 wurde das vergoldete Wappentier Apotheke am Karlsplatz geklaut. Die Diebe wurden nie geschnappt.

Krefeld. Als Franz Baumeister im April 1877 seine Einhorn-Apotheke am Westwall/Ecke Marktstraße eröffnet, wird ein paar Steinwürfe weiter an der Dionysiuskirche noch kräftig am neuen Turm gehämmert, gesägt, gemauert. 140 Jahre alt wird in diesen Tagen das Traditionshaus in der Krefelder Innenstadt. Es die einzige von sechs City-Apotheken, die Kriege, Feuersbrünste und anderes Unheil in den Mauern des Gründerhauses überstanden hat.

Foto: abi

Die erste Apotheke in Krefeld war seit 1697 in einem Gebäude an der Ecke Hoch-/Poststraße (heute Schwanenmarkt) beheimatet, Ein Arzt betrieb damals die Apotheke. Nicht ohne Stolz erinnert der aktuelle Eigentümer der Einhorn-Apotheke, Christoph Selders (61), an die Gründerzeit.

Franz Anton Umpfenbach hieß der damalige Düsseldorfer Bau- und Regierungsrat, der die siebte Erweiterung des Stadtgebietes planerisch ausgearbeitet hat. In alle vier Himmelsrichtungen erweiterte sich das Stadtgebiet, Im Süden war dies der Bereich, der vom (Vagedes)-Westwall bis zur heutigen Prinz-Ferdinand-Straße reichte.

Rechnung trugen die Stadtplaner damals auch der sich abzeichnenden industriellen Revolution, die unter anderem die Situation der Krefelder Weber grundlegend ändern sollte. Um die Größenordnung der Stadterweiterung deutlich zu machen, hier die Zahl der Häuser, die um 1860 die „Weststadt“ bildeten: Roßstrasse acht Häuser, Prinz-Ferdinand-Straße fünf, Marktstraße 115 und Hubertusstraße 73 Häuser. Ihnen folgten Gebäude, die jeweils in rund 100 Meter lange und tiefe Gebäudeblöcke aufgeteilt wurden. Die Straßenbreite für die Straßen wurde auf 11,30 bzw. 15,07 Meter festgelegt, um für die beladenen Wagen Wendemöglichkeiten zu schaffen.

Eine andere Grundlage für die Straßenbreiten war die Höhe der zu erwartenden Fabrikarbeiterhäuser (zwei- bis dreigeschossig). Für die Kontinuität der Einhorn-Apotheke spricht, dass in den letzten 140 Jahren nur sieben verschiedene Betreiber oder Eigentümer registriert sind. Als Gründervater Franz Baumeister 1877 die Türen seines Ladens öffnete, blickte er auf das bunte Treiben auf dem Karlsplatz. Der 1850 angelegte, von Linden umsäumte Platz diente damals als Markt- und Kirmesplatz.

Der Museumsbau versperrte den Blick von Apotheker Baumeister erst ab 1894 in Richtung Norden. Von Baurat Adolph von Vagedes war der Platz als Gegenstück zum östlich gelegenen Luisenplatz gedacht. Auf Franz Baumeister folgte als Einhorn-Betreiber ab 1884 Adolph Siepmann, elf Jahre später Alfred Wolters. 1904 übernahm Joseph Endepols das Geschäft. Sein Sohn Johannes führte es über die Wirren zweier Weltkriege hinweg bis 1967. Ihm folgte die heute noch lebende Apothekerin Marie-Luise Meyer, die im April 1992 die Apotheke an Christoph Selders verpachtete und gemeinsam mit ihm weiter betrieb.

Selders kaufte 2007 das dreigeschossige Gebäude und führt den rund 160 Quadratmeter großen Geschäftsbereich mit fünf Vollzeitstellen bis heute. Kurz vor der Übernahme von Selders kam es zu einem dramatischen Einschnitt. Im Frühjahr 1991 wurde das Wahrzeichen der Apotheke, das vergoldete Einhorn, das rund vier Meter über dem Gehweg der Gebäudecke angebracht war, demontiert und gestohlen. Die Polizei suchte und fahndete vergeblich nach dem Sagentier. Die Täter blieben bis heute im Dunkeln. Marie-Luise Meyer ließ das Einhorn von einem Düsseldorfer Kunstprofessor nachbauen und vergolden.

Im April 1992, vor 25 Jahren, übergab sie die neue Skulptur pünktlich zur Pachtübernahme an den neuen Inhaber Christoph Selders. Sorgen machen dem Pharmazeuten, der mit seiner Familie in Forstwald lebt, nicht nur die Dauerbaustellen rund um das Kaiser-Wilhelm-Museum und den Joseph-Beuys-Platz, sondern auch der Marktbetrieb auf dem Westwall. „Der wird offenbar von Seiten der Stadt ausgehungert“, fürchtet Selders. Das Angebot werde „immer mickriger“, die Anziehungskraft für die Kundschaft tendiere gegen Null. Diese Rahmenbedingungen und die Rabattschlachten im Internet um Apotheken-Kunden gestalten die Zukunft der Pharmazie auch am Karlsplatz 140 Jahre nach der Gründung immer schwieriger.