Ernährung Elmo soll vegan aufwachsen
Seine Eltern achten genau auf seinen Nährstoffhaushalt. Ernährungsberater sehen das kritisch.
Krefeld. In Deutschland leben mittlerweile rund eine Million Menschen vegan, das heißt, sie ernähren sich ohne tierische Produkte. Eine kleine vegane Gemeinde gibt es auch in Krefeld, darunter auch Eltern, die ihre Kinder vegan erziehen. „Vor einigen Jahren war ich auch noch diejenige, die im Discounter das billige Fleisch aus der Kühltheke gekauft hat“, sagt Anne B. Ihren vollständigen Namen will sie nicht in der Zeitung lesen. Die 35-jährige Krefelderin sitzt am Holztisch in ihrer Küche. Sie lebt seit viereinhalb Jahren vegan und ist momentan im sechsten Monat schwanger mit ihrem zweiten Kind.
Neben ihr im Kinderstuhl sitzt ihr Sohn Elmo. Elmo isst kein Fleisch und trinkt keine Milch. Das war schon immer so. Genau wie seine Mama Anne und sein Papa Ben lebt der Zweieinhalbjährige vegan. Naja, fast: „Elmo isst Eier, damit sein Körper genug Vitamin B12 bekommt. Das ist vor allem für das Nervenwachstum sehr wichtig.“ B12 ist das einzige Vitamin, das der Mensch nur über tierische Produkte aufnehmen kann. Alles andere könne durch nicht-tierische Lebensmittel ersetzt werden.
Anne nimmt B12 über ein Zusatzpräparat, für Elmo gibt es Eier von glücklichen Hühnern. Auf Nährstoffe zu achten, ist für Anne zur Gewohnheit geworden. „Wenn man einmal anfängt, sich mit Ernährung und Inhaltsstoffen zu beschäftigen, fällt es einem schon bald sehr leicht, auf die wichtigen Dinge zu achten.“ Die wichtigen Dinge: Das sind vor allem Vitamine. Vitamin C, Eisen, Jod, Calcium. Oft laute der Vorwurf: Menschen, die sich ohne tierische Produkte ernähren, würde etwas davon fehlen. Das müsse nicht zwangsläufig so sein. Nährstoffarm kann man sich mit und ohne Fleisch ernähren, erklärt Anne: „Ich lasse jetzt in der Schwangerschaft meine Blutwerte regelmäßig überprüfen. Bisher war immer alles in Ordnung.“
Deshalb macht sie sich auch um Elmos Nährstoffhaushalt keine großen Sorgen. Das vegan lebende Paar achtet sehr genau darauf, dass Elmo gesund und ausgewogen isst. Leinsamen, Linsen, Apfelmus und natürlich viel Gemüse kommt auf den Küchentisch. „Ich denke schon, dass wir einigen Eltern etwas voraushaben, da wir uns so bewusst mit dem Thema Ernährung auseinandersetzen“, sagt Anne.
Ganz so unkritisch sieht Andrea Stallmann das nicht. Sie hat Ernährungspsychologie studiert und wurde bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung zur Ernährungsberaterin ausgebildet. In Krefeld arbeitet sie unter anderem für das Helios-Klinikum und den Zahn-Zoo. „Das Risiko von Mangelerscheinungen ist vor allem bei Heranwachsenden sehr hoch. Kinder haben einen erhöhten Bedarf an tierischen Nährstoffen und die können am besten über tierische Lebensmittel aufgenommen werden.“ Außerdem gibt sie zu bedenken, dass es noch sehr wenige Studien zu veganer Ernährung bei Kindern gibt.
Trotzdem warnt die Ernährungsberaterin vor allem bei Schwangeren, Stillenden, Kleinkindern und Heranwachsenden davor, ganz auf tierische Nahrung zu verzichten. „Das geht allenfalls über Nahrungsergänzung, angereicherte Lebensmittel und intensive diätische oder medizinische Betreuung.“
Im Allgemeinen hält sie vegane Ernährung jedoch für durchaus gesundheitsfördernd. Gallensteine, Bluthochdruck, Übergewicht: Zu viel Fleisch, vor allem das aus der Massentierhaltung produzierte, sei dann auch nicht gut. Stallmann findet jedoch: „Man muss wirklich genauestes Ernährungswissen haben, um Kinder gefahrlos vegan zu erziehen. Das bedeutet sehr viel Verantwortung und Disziplin.“ Ein Risiko also.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung hält rein pflanzliche Ernährung für das gesamte Kindesalter ebenfalls für höchst ungeeignet. Gesundheitsrisiken, insbesondere für die Entwicklung des kindlichen Nervensystems seien dabei nicht auszuschließen. Im Gegensatz dazu wird eine vegetarische Ernährung mit Eiern und Milchprodukten deutlich positiver gesehen.
Bei ihrer Arbeit beobachtet Andrea Stallmann geradezu einen veganen Boom. Vegan leben sei mittlerweile wirklich Trend geworden. Den Trend begrüßt die Krefelder Kinderärztin Dr. Nicola Fels. „Ich bin dagegen, dieses Thema nur schwarz oder weiß zu betrachten. Auch Ernährung mit tierischen Produkten kann für Kinder schädlich sein, wenn diese in zu großen Mengen gegessen werden.“ Nicola Fels sieht dabei vor allem das Problem in der Massentierhaltung. Das, was wir über diese Fleischprodukte an tierischen Eiweißen zu uns nehmen, könne in der Menge auch Gesundheitsprobleme wie Übergewicht, Allergien und Hauterkrankungen auslösen. „Bei gesundheitsbewussten Eltern, die ihr Kind dabei gut begleiten und sich intensiv mit Ernährung beschäftigen, sehe ich kein Problem.“ Wichtig sei letztendlich, dass das Kind gesund aufwachse, ob vegan oder nicht.