Moltke-Gymnasium Das bürgerliche Erbe des Moltke-Gründers
Cracau · Als ehemaliger Schüler und Lehrer des Gymnasiums hat Wolfgang van Randenborgh eine etwas andere Festschrift zum 200. Schul-Geburtstag veröffentlicht.
Zugegeben – die Abhandlung von Wolfgang van Randenborgh zum 200. Geburtstag des Moltke-Gymnasiums ist keine leichte, kurzweilige Lektüre über Architektur und zeitliche Stationen einer höheren Schule. Dafür ist sie mit ihren 167 Seiten eine anregende Auseinandersetzung mit den bürgerlichen Werten im Allgemeinen und den schulischen Werten des Moltke, wie es von den Krefeldern salopp genannt wird, im Besonderen. Zwei Jahre lang hat der ehemalige Schüler und langjährige Lehrer dieser Schule sich mit der Vergangenheit, der Gegenwart und letztendlich auch der nahen Zukunft beschäftigt. Mit einer interessanten These als roter Faden, in der Festschrift ebenso wie auch als formulierter künftiger Bildungsauftrag: „Die Herausforderung der Digitalisierung und einer aufs Ökonomische reduzierten Welt des entfesselten Kapitalismus werden wir nur in den Griff bekommen, wenn die Gesellschaft sich der bürgerlichen Werte und Tugenden erinnert und sie praktiziert.“
Schulgründer Adam W. Scheuten war seiner Zeit voraus
Der 68-Jährige spricht ganz im Geiste des Schulgründers Adam Wilhelm Scheuten. „Ein Bürger par excellence“, sagt van Randenborgh über ihn mit großer Wertschätzung. Der bürgerliche Mäzen, Humanist und Mennonit war im Alter von nur 47 Jahren am 15. Februar 1801 verstorben. Fünf Monate vor seinem Tod hatte er ein Testament aufgesetzt, in dem er die enorm umfangreiche Summe von 15 000 Reichsthaler zur Gründung einer Schule in Krefeld vermachte. Zusätzlich spendete er der zukünftigen „Anstalt“ seine physikalischen und mathematischen Geräte sowie seine reichhaltige Bücherei, die noch heute unter dem Dach der Schule untergebracht ist. Zum Schutz der Bücher soll im kommenden Jahr eine Klimaanlage dort eingebaut werden.
„Scheuten schrieb vor, die Schule solle eine gründliche, wissenschaftliche Bildung unter Wahrung der Gemeinnützigkeit fördern“, erklärt van Randenborgh. In dem zugrunde gelegten Lehrplan sollte es um „Ausbildung, nicht um Abrichtung“ gehen, „Menschlichkeit und Humanität“ gelte es anzustreben. Als Mennonit war Scheuten religiös sehr tolerant. Deshalb knüpfte er an die Aufnahme an die Schule auch keine Religionszugehörigkeit. „Damit war er seiner Zeit voraus und extrem weitsichtig“, folgert van Randenborgh. Das galt somit auch in späteren Jahren für Juden. Scheuten war mit dieser humanitären Sichtweise ein Zeitgenosse von Wilhelm von Humboldt (1767-1835) im Geiste.
Die Mennoniten in Krefeld hatten früh erkannt, dass „die Gewandheit im Umgang mit Fremden und bestmögliche Ausbildung Voraussetzung für weiteres Wirtschaftswachstum“ seien. Entsprechend ausgerichtet wurden die Lehrpläne des Moltkes, mit dem Anspruch der wissenschaftlichen Gründlichkeit und der praktischen Weltoffenheit. Ziel war und ist „die Befähigung und Fähigkeit einer Person, ein Leben in Balance zu führen“.
Dass dieses angestrebte Lebensziel zwischenzeitlich aus der Balance geraten ist, verdeutlicht ein Referat aus dem Jahr 1959 von Dr. W. Kronenberg in der Moltke-Schulzeitschrift „Kontakte“ zu der „Situation der Höheren Schule in unserer Zeit“, aus der van Randenborgh zitiert. Danach ist an die Stelle von Bildung die Ausbildung getreten und das sogenannte Reifezeugnis vor allem für Eltern „zur Eintrittskarte zu einer höheren Lebensstandard verheißenden Position“ geworden.
Das Moltke-Gymnasium setze dieser gesellschaftlichen Entwicklung bis heute etwas entgegen. Die Gemeinschaft aus Schülern, Eltern, Lehrern, Förderverein und Ehemaligen unterstützt – im Sinne eines Engagements für eine humane Gesellschaft – tatkräftig Aktionen und Spendenaufrufe der Schule. Und auch ideell stoßen die bürgerlichen Werte bei den heutigen Schülern auf offene Ohren. Eine von van Randenborgh 2018/2019 durchgeführte nicht repräsentative Umfrage in den Stufen Q1 und Q2 zum Themenschwerpunkt Bürgerliche Tugenden hat gezeigt, dass 95,8 Prozent der Teilnehmer diese Tugenden für im Ganzen sinnvoll hielten. „Das macht Hoffnung für die Zukunft“, sagt der ehemalige Lehrer.
Gebundenes Heft ist bei dem Autor telefonisch zu ordern
Van Randenborgh hat das Heft in Eigenregie und auf eigene Kosten aufgelegt, jedoch mit Zustimmung des heutigen Schulleiters. Er vertreibt es privat, zum Preis von 15 Euro. Bestellungen sind telefonisch an ihn zu richten unter 0211/9559 1240.