Meinung Fichte-Aus basiert auch auf Fehlern und Verwaltung
Das Fichte-Aus berührt viele Krefelder emotional. Und wie immer bei Nachrichten, die derart einschlagen, beginnt reflexartig das Ringen um die Deutungshoheit, insbesondere in der Politik. Dabei gibt es nicht den einen Grund dafür, dass eine der traditionsreichsten Schulen in der Stadt auslaufen muss.
Es ist die Kombination von Demographie, verfehlter Stadtplanung und misslungener Schulpolitik. Hier müssen Parteien und Verwaltungen sich an den eigenen Entscheidungen messen lassen, statt mit dem Finger auf andere zu zeigen. Beginnen wir mit G8, diesem bürokratischen Ungeheuer, diese Ausgeburt der Pisa-Panik und des Gefühls, dass Skandinavien über das deutsche Bildungssystem milde lächelt.
Was hat es gebracht?
Einen Nachhilfe-Boom, überforderte Gymnasiasten ohne Chance auf angemessenen Freizeitausgleich, überforderte Schulleitungen und Lehrer, Unfrieden in Familien. Und stete Unsicherheit darüber, wie es mit diesem Riesenirrtum weitergeht. Gerade in den letzten Jahren, so auch viele Reaktionen auf das Fichte-Aus, haben immer mehr Eltern lieber auf die Gesamtschule gesetzt, die das Abitur in neun Jahren anbietet. Eine Schulform übrigens, die in Krefeld auch aktuell extrem gefördert wird. G8 ist ein großer Teil der Wahrheit, aber er ist kein rot-grünes Problem. CDU und FDP, da hilft den Krefelder Liberalen vielleicht das Langzeitgedächtnis, hatten die Reform letztendlich auf den Weg gebracht.
Natürlich gibt es aber in erster Linie lokale Gründe, wenn eine Schule tatsächlich schließen muss. Auch in Krefeld schreitet die Demographie mit geburtenschwachen Jahrgängen voran. Das merken nicht nur die Schulen, sondern auch Vereine und Organisationen. Es wird zusammengerückt, kooperiert, zusammengelegt, im schlimmsten Fall eben geschlossen.
Die besondere Problematik Fichte hat ihre Mutter in der Krefelder Stadtentwicklung. Die Gegend rund um das Fichte ist teilweise hässlich geworden, hat das Bildungsbürgertum und besser situierte Familien in die Vororte vertrieben und damit ein schwieriges soziales Umfeld geboren, das sich auch in den Anmeldezahlen beim Fichte niederschlägt. Das sind nicht zuletzt auch Fehler von Politik und Verwaltung in der Quartiersentwicklung.
Dazu gibt es zwei wichtige Aussagen aus dieser WZ-Woche. Die eine kommt vom Handelsverband, der künftig mitbestimmen will bei der Innenstadtplanung. Um Himmels Willen, bloß das nicht. Sicher gehören zu einer attraktiven City gute Geschäfte in einem ausgewogenen Mix und die Interessen der Händler müssen miteinbezogen werden. Mitbestimmung führt deutlich zu weit, Parkhäuser schaffen keine Wohnqualität.
Die andere Aussage kommt ausgerechnet vom scheidenden Stadtplaner Eckhard Lüdecke, Gründungsmitglied des Aktivkreises südliche Innenstadt, dem Fichte-Einzugsgebiet. Und damit aus berufenem Munde. Er fordert zu mehr Kreativität und Mut in der Quartiersentwicklung auf. Das ist richtig. Und kommt fürs Fichte zu spät.