Firmen wollen Schüler für sich gewinnen

Bei der Veranstaltung „Deine Chance für die Zukunft“ werben Krefelder Unternehmen für Nachwuchs und setzen auf Interessenförderung.

Foto: Dirk Jochmann

Wie sieht die Zukunft der Krefelder Industrie aus? Überregional sehen sich Unternehmen mit den Herausforderungen des strukturellen Wandels im Hinblick auf Digitalisierung und Automatisierung konfrontiert. Nichtsdestotrotz mangelt es vielen Unternehmen nicht an einer zeitgemäßen digitalen Infrastruktur, dafür allerdings an Fachkräften und Auszubildenden. Auch in Krefeld können einige Firmen ihren Bedarf an Auszubildenden nicht vollständig decken.

Die Gründe dafür sind vielschichtig. Statistiken belegen den Trend einer stetig wachsenden Anzahl an Studierenden an deutschen Universitäten. Oftmals lasse sich die Ursache einer schrumpfenden Zahl von Auszubildenden allerdings nicht in einer fortwährenden Akademisierung verorten, sondern in einem fehlenden Bewusstsein für die Vorteile und Möglichkeiten, die eine Ausbildung im Unternehmen bietet, heißt es weiter.

Darüber hinaus bestehe ein deutliches Defizit hinsichtlich der Interessenförderung in weiterführenden Schulen. Ein Problem, dass die Industrievereinigung Krefeld und die Unternehmen der Stadt offenbar erkannt und aufgegriffen haben. So hat die Industrievereinigung im Herzen der Krefelder Industrie einen umfassenden Aktionstag veranstaltet, um Schüler ab der 8. Jahrgangsstufe über Ausbildungen, verschiedene Bildungswege und Praktika sowie zahlreiche Berufsfelder zu informieren und sie für eine spätere Karriere bei einem Krefelder Unternehmen zu begeistern. Im Rahmen dessen fanden sich zwölf Unternehmen, die größtenteils im Großraum Rheinhafen und Uerdingen angesiedelt sind, sowie weitere städtische Institutionen und Bildungseinrichtungen in einer der Industriehallen des Unternehmens Alberdingk Boley ein, um den Schülern mittels Informationen, Experimenten und unterschiedlichen Aktionen Perspektiven in der Industrie darzulegen.

Remzi Cesur von Alberdingk Boley

Remzi Cesur, Gastgeber Alberdingk Boley sieht genau dort den Zweck des Aktionstages. „Wir wollen den Schülern einen idealen Einstieg ins Berufsleben ermöglichen“, sagt er. Dazu müsse man besonders als mittelständisches Unternehmen die Aufmerksamkeit der Schüler auf sich ziehen und über die weitreichenden Ausbildungsmöglichkeiten aktiv informieren. Vielen Schülern sei das Unternehmen selbst nämlich noch völlig unbekannt. „Wir sind nicht Siemens“, fügt Cesur hinzu.

Ähnliches bezeugt Christian Schmidt, Geschäftsführer der Krefelder Industrievereinigung: „Es ist wichtig, dass die Schüler wahrnehmen, welche Berufe sie in Krefeld ausüben können.“ Denn mittelständische Unternehmen vor Ort seien attraktive Arbeitgeber und böten langfristig vielfältige Aufstiegschancen, erläutert er. Gleichwohl liege die Ursache für einen Mangel an Auszubildenden auch an der fehlenden Förderung von technischem Interesse in den Schulen.

Chrissoula Tolidou arbeitet seit Jahren im Rahmen der Initiative Zukunft durch Innovation dafür, dass die sogenannten MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) stärker in den Vordergrund der Bildungssysteme rücken. Ihr Programm beinhaltet zahlreiche Kooperationen mit Unternehmen und Schulen, um Schülern Einblicke in die die jeweiligen Ressorts zu gewähren und dort „schlummernde Interessen“ zu wecken. Dabei sei zunächst die Entwicklung von Begeisterung für die Inhalte das Grundelement für einen bevorstehenden Einstieg in eine Ausbildung. „Wir bieten zahlreiche Tageskurse und Fortbildungsprogramme an“, sagt sie. „Besonders durch Praxisnähe entsteht bei den Schülern Begeisterung für den MINT-Bereich.“ Dennoch bestehe in den Schulen trotz der MINT-Programme weiterhin großer Aufholbedarf im technischen Bereich, wie ihr Kollege Benjamin Semmler bestätigt.

Tolidous Aussagen scheinen sich durch die Resonanz der anwesenden Schüler zu bestätigen. Lisa Kosz und Anna Fritz gehen in die 8. Klasse und bekunden für alle Facetten der Industrie Interesse. „Vor allem die Experimente im Bereich Chemie haben uns sehr gefallen“, berichten sie. Joel Okonkwo, ebenfalls in der 8. Jahrgangsstufe, ist hingegen fasziniert von dem Gedanken, Ingenieur zu werden. Völlig sicher sei er allerdings noch nicht, ergänzt er rasch.

Dass neben den Krefelder Unternehmen auch die Stadt selbst auf die Ausbildung von Fachkräften vor Ort und folglich auch auf Veranstaltungen wie den Aktionstag der Industrievereinigung angewiesen ist, verdeutlicht Bürgermeisterin Gisela Klaer: „Die Arbeitslosenquote in Krefeld (Anm. d. Red.: 8,2 Prozent im Februar) ist überdurchschnittlich hoch.“ Daher sei es um so wichtiger, dass die Interessen der Schüler früh kanalisiert werden, um die Ausbildungszahlen wieder steigen zu lassen, sagt sie. Zudem müsse auch die Stadt weiter daran arbeiten, dass der Wirtschaftsstandort Krefeld sowohl für Unternehmen als auch für potenzielle Auszubildende attraktiver wird. Denn Krefeld und seine Unternehmen böten ein immenses Potenzial, betont auch Christian Schmidt, Geschäftsführer der Krefelder Industrievereinigung.

Die Frage, ob dieses in Zukunft auch ausgereizt werden kann, wird wohl letztendlich eine Bildungsfrage bleiben.