Geplünderte Gräber - "Alle 14 Tage ist was weg"
Auch auf Friedhöfen sind Diebe unterwegs. Sie klauen häufig Grabschmuck aus Metall.
Krefeld. Der kleine weiße Keramik-Vogel ist der dritte seiner Art. „Die anderen beiden wurden geklaut“, erzählt Karl-Heinz Scheer, „einfach abgebrochen und mitgenommen.“
In seiner Stimme klingt eher Verwunderung über die Dreistigkeit der Täter, als Verärgerung über den Diebstahl des Grabschmucks mit. Seine Frau Karin ist weniger gefasst. Auf ihrer Wange glänzen Tränen, während sie von den Plünderungen berichtet: „Das tut weh. Das ist eine Schande, an die Gräber zu gehen.“
Karin Scheer und ihr Mann pflegen fünf Gräber auf dem Hauptfriedhof. Etwa zweimal die Woche kommen die beiden Rentner vorbei, um nach den Ruhestätten ihrer Freunde und Verwandten zu schauen. „Und alle 14 Tage ist was weg“, empört sich Karin Scheer. Geklaut würden vor allem Blumen und Kerzen aber auch anderer Grabschmuck: „Zwei Vasen haben die schon mitgenommen.“
Um die Vasen zu stehlen, war ein gehöriges Maß an krimineller Energie erforderlich, denn die beiden Bronzegefäße waren auf steinernen Sockeln befestigt, die die Täter erst ausbuddeln mussten.
„Ja, das sieht man öfter“, bestätigt Freddy Heiden. „Da sind dann immer so viereckige Löcher in den Gräbern. Da war vorher entweder eine Laterne oder eine Vase drin.“ Heiden arbeitet für den Fachbereich Grünflächen als Friedhofs-Lotse. Seine Aufgabe besteht vor allem darin, den Besuchern den Weg zu den Gräbern zu weisen.
Außerdem soll er „durch seine Präsenz für Ordnung sorgen“. Gegen die Klauerei helfe diese Präsenz aber kaum, wie er selbst zugibt: „Die Diebe wissen, wann wir Feierabend haben und warten solange.“ Während seiner Arbeitszeit könne er dann nur noch die Beschwerden der Beklauten entgegennehmen: „Und da kommt jeden Tag eine.“
Seine Chefin kennt das Problem auch. Doris Törkel, Leiterin des Fachbereichs Grünflächen, weiß außerdem zu berichten, dass nicht nur auf dem Hauptfriedhof Diebe unterwegs sind: „Auf dem Friedhof Fischeln wurden 20 Grabstätten beraubt, auf dem Friedhof Elfrath gab es ähnlich viele Diebstähle.“
Und diese Vorfälle seien alle innerhalb von zwei Wochen gemeldet worden — die Zahl dieser Delikte nehme also zu. Bei der Beute handele es sich meist um Metall. Vereinzelt würden sogar die Buchstaben von den Grabsteinen geschlagen.
Derartig brachiale Methoden werden auch von der Polizei vermehrt registriert: „Manchmal ist der Schaden durch die Sachbeschädigung größer, als durch den eigentlichen Diebstahl“, sagt Sprecher Dietmar Greger. Auch er hat in „jüngster Vergangenheit einen rapiden Anstieg“ an Diebstählen auf Friedhöfen bemerkt.
Meist gehe es dabei um Bronze. Vermutlich würden die Diebe das Metall an Schrotthändler verkaufen, die es dann einschmelzen. „Und man muss sagen: Es lohnt sich. Die Gewinnspanne ist groß, das Risiko gering.“
Häufig werde aber auch anderer Grabschmuck geklaut, Pflanzen etwa, vermutlich, um sie für andere Gräber zu verwenden. Zwar seien durchaus Streifen auf den Friedhöfen unterwegs, aber das könne die Polizei „nur sporadisch“ leisten.
Von den Plünderern, die den Scheers zu schaffen machen wurde daher noch keiner erwischt. Beim letzten Beutezug klauten die Diebe mal wieder Botanik: einen Kranz aus Buchsbaum und Blautanne. Karin Scheer hat ihn noch einmal flechten lassen: „Hat mich wieder 20 Euro gekostet.“
Sie wartet neben dem Grab, während ihr Mann zum Auto geht, um Draht zu holen. Damit wollen sie den Kranz an einem Stein festbinden. Ein Trick, der schon beim letzten Mal nicht funktioniert hat: Die drahtige Diebstahlsicherung liegt noch zerschnitten auf dem Grab — unter dem neuen Kranz.