Krefeld Gregor Kathstede im Interview: „Der OB ist kein Freiwild“
Nach elf Jahren im Amt scheidet Oberbürgermeister Gregor Kathstede am 20. Oktober aus.
Krefeld. Seit Gregor Kathstede vor elf Jahren zum ersten Mal zum hauptamtlichen Oberbürgermeister von Krefeld gewählt wurde, musste er sich eine Menge Anfeindungen anhören. „Marionette Fabels“ hieß es in Anspielung auf den damals noch amtierenden CDU-Fraktionsvorsitzenden. Doch der junge Verwaltungschef blickt auch auf Erfolge in seiner Amtszeit zurück. Die WZ sprach kurz vor dem Ende der Wahlperiode am 20. Oktober mit ihm darüber, was von den elf Jahren hängen blieb.
Herr Kathstede, warum sind Sie zur OB-Wahl nicht mehr angetreten?
Gregor Kathstede: Im Vordergrund standen die familiären Gründe. Ich möchte von meinen Kindern etwas mitbekommen, so lange, die sich noch freuen, wenn der Papa nach Hause kommt (lacht). Elf Jahre sind eine lange Zeit. Und es ist ein belastendes Amt, auch wenn ich das gerne gemacht habe. jetzt freue ich mich darauf, etwas anderes zu machen.
Kathstede: Zunächst mal runterfahren, mich selbst finden. Ich führe Gespräche über meine berufliche Zukunft, aber es gibt noch nichts Konkretes.
Hätten Sie die Wahl für die CDU noch mal gewonnen?
Kathstede: Das ist nicht leicht zu beantworten. Ich glaube schon, dass es nach so langer Zeit eine Wechselstimmung geben kann. Dann ist nicht mehr maßgeblich, was jemand geleistet hat. Ich glaube in jedem Fall, dass ich ein besseres Ergebnis eingefahren hätte, aber das ist natürlich Spekulation.
Was ist im Oberbürgermeisterwahlkampf falsch gelaufen?
Kathstede: Darüber denke ich viel nach und damit wird die CDU viel Arbeit haben, wenn sie die entsprechende Klausurtagung vorbereitet. Ich glaube, Frank Meyer hat es besser geschafft, die Herzen zu erreichen. Der Verstand ist wichtig, aber auch das Herz.
Ist denn das System der Zusammenführung von Oberbürgermeister und Verwaltungschef überhaupt vereinbar mit so einer Direktwahl durch den Bürger?
Kathstede: Ich glaube, dass die Abschaffung der so genannten Doppelspitze richtig war. Da sind wichtige Funktionen zusammengeführt worden. Was man verspricht, kann und muss man auch umsetzen. Alltagskonflikte ergeben sich dann, wenn der Bürger nicht sieht, dass auch der OB an Gesetze gebunden ist.
Warum ist das Verhältnis zwischen Verwaltung und Rat in den vergangenen zwei Jahren so eskaliert?
Kathstede: Das habe ich mich auch gefragt.
Gab es einen Autoritätsverlust? Liegt es allgemein an den Zweifeln, die überall geäußert werden?
Wahrscheinlich müsste man weiter zurückgehen, um die Ursachen zu finden. Kritik an der Verwaltung wird immer mehr zum Volkssport, weil es dem Bild mancher Bürger entspricht.
Sehen Sie durch den anstehenden Machtwechsel, Projekte, die Sie angestoßen oder begonnen haben, in Gefahr?
Kathstede: Nein. Die wesentlichen Dinge sind im Fluss, die Wirtschaftsförderung ist gut aufgestellt, die Betreuung der Unter Dreijährigen läuft. Und die Themen Stadthaus und Seidenweberhaus werden politische Entscheidungen sein. Da wir der neue Oberbürgermeister sicherlich Duftnoten setzen wollen.
Welche Dinge hätten Sie gerne als OB noch zu Ende gebracht oder fertig gesehen?
Kathstede: Es tut mir von Herzen weh, dass ich das Kaiser-Wilhelm-Museum nicht eröffnen kann. Und ich hätte auch gerne den Ostwall freigegeben. Aber das ist eben so.
Welche Ziele, die Sie sich zum Amtsantritt oder nach der Wiederwahl gesetzt haben, sind nicht umgesetzt?
Kathstede: Vor sechs Jahren bin ich davon ausgegangen, dass wir mit dem Stadthaus und dem Seidenweberhaus weiter sind, dass es schneller und intensiver vorangeht. Aber bei beiden geht es um viel Geld, andere Projekte sind dazwischen gekommen. Vor elf Jahren habe ich in meiner ersten Wahlbroschüre geschrieben, dass mir wichtig ist, dass die Krefelder sich mit ihrer Stadt identifizieren, gerne hier leben und sich deshalb für die Stadt engagieren. Aber das ist ein schwieriger Weg und bleibt es auch.
Was würden Sie als ihren größten Erfolg bezeichnen?
Kathstede: Die Sanierung des Klinikums.
Und der größte Flop?
Kathstede: Die 800 000-Euro-Fehlbuchung, auch wenn ich persönlich nichts damit zu tun hatte.
Sie haben viel Kritik für die Kampagne „Krefeld — schön hier“ einstecken müssen. War das der richtige Weg, würden Sie das noch mal machen?
Kathstede: Die Kampagne war gut angelegt, weil die Krefelder mitgemacht haben. Ich würde alles versuchen, damit die Krefelder sich mit ihrer Stadt identifizieren. Und dafür muss man auch Geld in die Hand nehmen. Ich finde die Aktion nach wie vor gut.
Sie sind immer wieder sowohl vom politischen Gegner als auch von den Bürgern hart angegriffen worden. was hat Sie am meisten getroffen?
Kathstede: Ich werde bis zum letzten Amtstag jeden Leserbrief lesen. Die Schreiber erkennen aber oft nicht an, dass hinter dem Amt ein Mensch steht, der auch Gutes tut. Sachliche Kritik ist völlig in Ordnung - manchen Brief habe ich mir zur Seite gelegt. Aber dieses Kopf rasieren — das ist oft wenig reflektiert.
Sehen Sie die Krefelder heute anders als vor dem Amtsantritt?
Kathstede: Ich habe Krefeld erst durch die elf Jahre als OB wirklich kennen gelernt. Das Bild hat sich dadurch nicht verändert: Wenn die Krefelder von etwas überzeugt sind, dann engagieren sie sich. das sieht man jetzt wieder in der Hilfe für die Flüchtlinge. Aber, dass sie so deutlich mit ihrer Stadt hadern, das hätte ich nicht erwartet. Man hat Ihnen manchmal nachgesagt, dass sie nicht auf Ratgeber hören.
Können Sie das nachvollziehen?
Kathstede: Das kann ich nicht nachvollziehen. Natürlich hole ich mir vor Entscheidungen Rat, aber die Entscheidung muss man alleine treffen. Ich muss sie ja auch später alleine vertreten und davon überzeugt sein, dass es für die Stadt das Beste ist. Das mit Herz und Verstand auszuloten, ist ein einsamer Prozess.
Was hätten Sie aus heutiger Sicht anders gemacht oder sogar gelassen?
Kathstede: Ich würde viel früher aus der politischen Ecke herauskommen, um die unterschiedlichen Interessen im Rat besser zusammenzuführen. Und ich würde mit nicht mehr so viel gefallen lassen. Mein Anspruch war, allen zuzuhören und zu antworten. Aber das hat zu unschönen Szenen in der Öffentlichkeit geführt, selbst wenn ich privat mit der Familie unterwegs war. Der Oberbürgermeister ist kein Freiwild. Deswegen halte ich heute dagegen und zeige klare Kante. Meistens respektieren die Bürger das dann auch.
Was werden Sie nach Ihrem Abschied aus dem Amt vermissen?
Kathstede: Die direkte Möglichkeit, Menschen zu helfen, oft auch in kleinen Dingen. Den Zugriff zu haben, Einfluss zu nehmen. Die Politik, auch das Sich-Reiben. Und das Umfeld, das alles für mich vorbereitet, da muss ich mich neu orientieren.
Und worauf können Sie gut verzichten?
Kathstede: Unnötige Konflikte. manchmal haben wir es uns in Politik und Verwaltung unnötig schwer gemacht.
Woran sollen die Bürger sich im Zusammenhang mit Oberbürgermeister Kathstede erinnern?
Kathstede: Dass ich mich um die Kultur und die Wirtschaftsförderung gekümmert habe, die Innenstadt vorangebracht habe, dass ich ansprechbar und bodenständig war.
Was wünschen Sie Krefeld?
Kathstede: Von ganzem Herzen, dass sie zur Ruhe kommt, dass die positive Entwicklung weitergeht, dass der neu OB die großen Fraktionen enger zusammenrücken lässt.
Worin sehen Sie die größte Herausforderung für Ihren Nachfolger?
Kathstede: Ganz klar in der Flüchtlingskrise. Das ist derzeit nur der Anfang. Wenn die Menschen sich hier niedergelassen haben, kommen die Familien nach. Dafür brauchen wir Wohnraum, Arbeitsplätze, Schulen und Kindergärten. Das betrifft alle Bereiche.