Günter Netzer oder Minister
Mit 35 Ansichten seiner selbst erschafft Dirk Rose kein Portrait.
Krefeld. Aber da ist er doch überall zu sehen. Tatsächlich. Aber eben nur stellvertretend für andere. Dirk Rose zeigt im Kaiser Wilhelm Museum 35 Polaroids, die alle ihn selbst zeigen und trotzdem keine Selbstportraits sind. Dirk Rose ist hier 35 Mal ein "Vize", ein Stellvertreter. "Vice" nennt er auf Englisch seine Arbeit, in der er auch als Urheber der Fotos nicht auftaucht. Denn die haben andere gemacht. Von Rose stammt das Konzept der Präsentation.
Dabei arbeitet der 1975 in Moers geborene Rose, der in Krefeld aufgewachsen ist, selbst als Fotograf. Er hat in Dortmund Kommunikationsdesign studiert. Dass er allerdings einmal eigene Fotos als Kunst präsentiert, kann er sich im Moment nicht vorstellen.
Der "Bildermacher" Rose ist einer, der selbst den Bildern nicht traut. "Bilder werden manipuliert und werden stets in ihrem Kontext wahrgenommen", sagt er, von daher kann er sich nicht vorstellen, Werke auszustellen, die "ohne Verfremdung" arbeiten, die auf die Manipulation hinweist.
Wie aber und zu welchem Zweck sind die Fotos dann entstanden? Rose hat zu Studienzeiten als Assistent für andere Fotografen gearbeitet, die für werbliche oder journalistische Zwecke Menschen portraitierten. Bevor der eigentliche Bildgegenstand, also der zu portraitierende Mensch, am Set auftauchte, schoss man im vordigitalen Zeitalter schon einmal Probefotos mit Hilfe der Polaroidtechnik. Das Set, die Lichtsituation, die Positionierung des Menschen im Raum konnten so vorab überprüft werden.
Rose steht auf diesen Fotos im wahren Sinne des Worts "an der Stelle" von Ministerpräsidenten, Regisseuren oder auch eines Vorstandsvorsitzenden. Die genauen Funktionsbezeichnungen und die Aufnahmedaten hat Rose penibel auf den Passepartouts vermerkt.
Damit gibt er dem einzelnen Abzug noch einmal einen dokumentarischen Touch, auch wenn die Sammlung aller Fotos natürlich klar macht, dass es sich hier um Bilder handelt, die nicht das zeigen, von dem behauptet wird, dass es gezeigt wird. Schließlich kann Rose das auch nicht alles sein: der Ministerpräsident, der Vorstandsvorsitzende - oder gar Günter Netzer.
Selbstdarsteller bevölkern zuhauf die mediale Bilderflut unserer Tage. Rose bezieht zu diesem Treiben eine künstlerische Gegenposition, aber im Grunde ist seine Opposition noch fundamentaler. "Die Kamera lügt immer über das, was vor ihr ist, aber nie darüber, was hinter ihr ist", zitiert Rose in der Buchversion von "Vice" den Fotografen Wolfgang Tillmans. Doch was war hinter der Kamera im Falle von Roses Polaroids? Auf jeden Fall nicht Rose als Fotograf. Erfahren wir nun etwas über die realen Fotografen oder doch mehr über den Ersinner des Konzepts, der ihre Aufnahmen für sich genutzt hat? Roses Werk wirft viele Fragen auf ...