Nachgehakt Häftlinge aus Münster kamen nie in Krefeld an

Die geschlossene Justizvollzugsanstalt an der Nordstraße wurde als Ausweichgefängnis teuer ertüchtigt. Doch bis heute werden weiter nur die Vorführzellen genutzt.

Krefeld. Ein Jahr ist es her, dass das Münsteraner Gefängnis aufgrund einer Einsturzgefahr evakuiert werden musste. In einer Hauruck-Aktion mussten Ausweichplätze für rund 480 Häftlinge gefunden werden. Schnell rückten dafür geschlossene Justizvollzugsanstalten in den Fokus des NRW-Justizministeriums. Ein Ziel dabei: die JVA in Krefeld. 52 Gefängnisinsassen sollten spätestens im August 2016 in der im Jahr zuvor geschlossenen Untersuchungshaftanstalt untergebracht werden. Doch wie WZ-Recherchen ergeben haben, kamen die Häftlinge niemals in Krefeld an.

„Im Gefängnis sind keine Insassen untergebracht“, berichtet Charlotte Narjes. Die Leiterin der JVA Willich I, der das Krefelder Gefängnis als Zweigstelle angehört, erklärt, dass Gefangene aus Münster stattdessen in den ebenfalls leergezogenen Anstalten in Mönchengladbach und Coesfeld untergebracht wurden. Warum die JVA Krefeld, die 2015 aufgrund sinkender Haftzahlen geschlossen worden war, vergangenen Sommer zwar instand gesetzt wurde, aber niemals in Betrieb ging, kann die Anstaltsleiterin nur mutmaßen. „Anscheinend gab es da ein Umdenken beim Justizministerium“, berichtet Narjes.

Nachdem das Gefängnis seit Ende 2015 geschlossen war, wurden im Sommer 2016 zahlreiche Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten durchgeführt. Genutzt wurde das Gebäude als originäre Haftanstalt aber nicht mehr. Trotzdem wird der JVA Krefeld vom Justizministerium eine besondere Rolle als „Standby-Gefängnis“ zugesprochen. „In NRW gibt es insgesamt 36 Justizvollzugsanstalten mit derzeit 17 605 belegbaren Haftplätzen. Die Auslastungsquote beträgt 87 Prozent. Darüber hinaus halten wir am Standort Krefeld eine komplette Zweiganstalt als Reserve im Standby“, lässt NRW-Justizminister Thomas Kutchaty Ende April erklären.

Demnach besteht zwischen dem Ministerium und dem für die Verwaltungs des Gebäudes zuständige Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW (BLB) ein Mietvertrag über die gesamte Haftanstalt, obwohl zur Zeit nur die Zellen zur Vorführung bei Amts- und Landgericht genutzt werden. „Wir haben den restlichen Bereich der Haftanstalt im kommenden Sommer ertüchtigt“, erklärt Brigitte Parschau, Abteilungsleiterin für den Bereich Objektmanagement beim BLB. Laut ihrer Aussage sind die technischen Systeme überprüft und Mängel behoben worden. Zudem habe es Sanierungsarbeiten im Sanitärbereich gegeben. Kostenfaktor: ein mittlerer bis hoher fünfstelliger Betrag. Alles aufgrund der Notwendigkeit, dass das Gebäude im Sommer vergangenen Jahres wieder von Häftlingen aus Münster bezogen werden sollte.

Obwohl die Gefängnisinsassen niemals eintrafen, könnte das in Schuss gebrachte Gebäude noch mal wichtig werden. „Sollte die Anzahl der Häftlinge ansteigen oder es in anderen Gefängnisse zu Engpässen kommen, gebe es die Möglichkeit, Insassen in Krefeld unterzubringen“, sagt Marcus Strunk, stellvertretender Pressesprecher des NRW-Justizministeriums. Bei den geplanten Gefängnis-Neubauten in Köln, Münster, Iserlohn und Willich kein unrealistisches Szenario. Vor allem beim Neubau der JVA Willich I., in der zur Zeit 400 von 424 Zellenplätzen belegt sind, könnte die räumliche Nähe zu Krefeld enorme Vorteile beim Umzug bieten.

Doch Anstaltsleiterin Charlotte Narjes hält eine erneute Öffnung des Gefängnisses an der Nordstraße aufgrund des baulichen Fortschrittes an anderen Standorten für unwahrscheinlich. „Nach dem Neubau wird es in Willich I. auch eine erhöhte Kapazität an Zellenplätzen geben“, sagt Narjes. Zudem wäre der personelle Aufwand, zusätzlich zum Neubau noch die JVA in Krefeld zu betreiben, für zu hoch.