Hilfe für den Zappelphilipp - Neues Versorgungsmodell gegen ADHS
Die Barmer GEK will mit einem neuen Versorgungsmodell Schule machen. Dazu schließen sich Kinderärzte zusammen.
Krefeld. Die jungen Patienten sind nervös, unkonzentriert, impulsiv und leicht ablenkbar. Zappelphilipp-Syndrom nennt es der Volkmund. Die Mediziner sprechen bei der häufigsten psychischen Störung im Kindesalter vom Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS). Weltweit leiden schätzungsweise acht Prozent aller Kinder darunter.
Mit einem neuen Versorgungsmodell will die Barmer GEK Schule machen. Am Mittwochabend besiegelte sie den „Vertrag zur Integrierten Versorgung von Kindern mit ADHS“. Kooperationspartner sind die im Qualitätsverbund „pädnetz Niederrhein“ zusammengeschlossenen Kinderärzte. Das Versorgungsangebot des Netzwerkes richtet sich an Kinder zwischen vier und 18 Jahren. Das neue Behandlungskonzept hat laut Barmer bundesweit Pilotcharakter.
Die beteiligten Ärzte und Therapeuten aus Krefeld, Mönchengladbach und dem Kreis Viersen möchten ein dichtes Behandlungsnetz knüpfen. Zu den Vereinbarungen gehören eine qualitätsgesicherte Diagnostik, die koordinierte Zusammenarbeit von Ärzten, Psychologen und Therapeuten, eine Elternschulung sowie ein verringerter Einsatz von Medikamenten.
„Bislang ist der Diagnoseweg für Eltern und Kinder oft ein Irrweg“, sagt Kinderarzt Jürgen Huth, Vorsitzender pädnetz Niederrhein. Ärztehopping, Doppeldiagnostik und überflüssige Untersuchungen sollen künftig vermieden werden. Erste Anlaufstelle ist die qualifizierte Kinderarztpraxis. Sie koordiniert die nötigen Schritte für eine individuell abgestimmte Behandlung.
„ADHS ist leider auch eine Modeerscheinung“, gibt Herbert Strunden, Marketingleiter der Barmer Krefeld, angesichts der steigenden Zahlen an ADHS-Diagnosen zu bedenken. „In den letzten fünf Jahren hat sich die Verordnung von Medikamenten wie Ritalin oder Concerta verdreifacht.“ Von dem ambulanten Therapiekonzept profitieren nicht nur die Patienten und Ärzte. Die Barmer verspricht sich Einsparungen bei den Verordnungs- und Arzneimittelkosten.
Ein wichtiger Baustein in der multimodalen Therapie ist das Elterntraining. Damit Eltern ihr Kind besser verstehen und unterstützen können, lernen sie den speziellen Umgang mit ADHS-Patienten. Unter fachkundiger Anleitung üben sie Strategien für den Alltag. Bislang mussten Eltern diese Schulung aus eigener Tasche finanzieren. Nun ist sie ein verbindlicher Bestandteil des Behandlungskonzeptes.
Positiv bewertet Uwe Mühlig, Leiter der ADHS-Selbsthilfegruppen in Krefeld, das neue Versorgungskonzept. Allerdings greift es seiner Ansicht nach noch zu kurz. „Hier sind nicht nur Ärzte, Psychologen und Therapeuten gefragt. Alle im Ansatz therapeutisch Tätigen, also Lehrer, Erzieher und Sozialarbeiter, müssen zusammenarbeiten.“ Regionale Selbsthilfegruppen bieten Hilfe und umfangreiche Informationen an.
Infos gibt die Barmer unter Telefon 0800 332060 711271 (kostenfrei).