Hilfe im Ernstfall für Dicke

Neuer Sonderwagen ermöglicht den Transport von Übergewichtigen.

Foto: Dirk Jochmann

Krefeld. Die Menschen werden immer dicker. Jeder zweite Erwachsene in NRW hat laut Statistischem Bundesamt zu viele Kilos. Fast jeder Sechste (16 Prozent) ist sogar stark übergewichtig. Feuerwehrleute und Rettungssanitäter kommen deshalb bei Einsätzen immer häufiger an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit. Ob beim Krankentransport oder im Notfall, mit herkömmlichen Mitteln sind bewegungsunfähige Menschen ab 160 Kilo nur noch unter größter Kraftanstrengung zu bewegen und zu bergen. Deshalb ist Dr. Uli Lenssen überglücklich über den neu angeschafften Sonderrettungswagen für Schwer- und Infektionstransporte.

Foto: Dirk Jochmann

Solche Transporte sind auch in Krefeld immer öfter der Fall. Nicht nur das eigene Gewicht ist für Übergewichtige ein Problem, sondern auch die Begleiterkrankungen wie Diabetes, Nierenversagen, Arthrosen oder Zirrhose durch Leber-Verfettung. Deshalb fährt die Berufsfeuerwehr zahlreiche Patienten regelmäßig in die Klinik. „Menschen bis zu 200 Kilo können wir im normalen Rettungswagen noch transportieren“, sagt Dr. Lenssen. Für Schwergewichtigere mussten bislang mit langer Voranmeldung passende Fahrzeuge in anderen Städten angefordert werden.

Das durchschnittliche Gewicht der Fahrgäste liege bei solchen Touren zwischen 150 und 250 Kilo. Lenssens schwerster Notfall-Patient wog 340 Kilo. In solchen Fällen macht selbst die zur Hilfe genommene Drehleiter schlapp. „Die Leute wohnen oft sehr ungünstig, meist in oberen Stockwerken und in Häusern mit schmalen Holztreppen. Nur wenige können sich überhaupt noch selber bewegen. Sie von ihrem Lager hochzubekommen, ist ein Kraftakt.

„Wegen ihres Eigengewichts müssen sie halbsitzend transportiert werden, liegend drohen sie zu ersticken“, erklärt Lenssen. Ab einer Hüftbreite von 140 Zentimeter werden sie im Bergetuch die Treppen hinunter getragen, weil herkömmliche Tragen nicht mehr passen. „Das ist unbequem für Patienten wie auch für die Feuerwehrleute, die zu Mehreren anpacken müssen und nicht nebeneinander laufen können.

Prof. Thomas Frieling vom Helios-Klinikum kennt das Problem. „Im alten Klinikum war das ein echtes Problem. Nur zwei bis drei Zimmer waren wegen ihrer Statik überhaupt geeignet, schwergewichtige Patienten in ihren Betten zu tragen.“ Gemeinsam mit dem Technischen Dienst wurden Bereiche nachgerüstet und entsprechende Ausstattung angeschafft. Das neue Klinikum ist für solche Patienten modern hergerichtet. Das reicht von Zimmerliftern mit entsprechender Tragkraft, über breitere Rollstühle, Betten und Toiletten bis hin zu Spezial-Blutdruckmanschetten und stabilerem und größeren OP-Besteck. „Das ist notwendig, denn die Zahl der Menschen mit krankhaftem Übergewicht nimmt zu.“

Noch vor einigen Jahren wurde die sogenannte Adipositas als Zeichen des Wohlstandes unterschätzt. Heute ist jedoch klar, dass die Gesundheit von Betroffenen erheblich leidet. Helios hat deshalb vor zwei Jahren am Klinikum das Zentrum für Adipositas- und Metabolische Therapie (ZAM) eingerichtet. „Wir bieten eine umfassende Versorgung“, erklärt Frieling. Die reicht von der medizinischen Abklärung über die Ernährungsberatung, Physiotherapie, psychiatrischen Betreuung, chirurgische Eingriffe und im Anschluss plastisch-chirurgische Beratung und OP. „100 Patienten betreuen wir derzeit regelmäßig“, sagt Frieling. Und das mit Erfolg. Durch gezielte sechs Monate dauernde Programme haben 90 Prozent der Patienten abgenommen — ganz ohne einen chirurgischen Eingriff. Erst danach werde über chirurgische Maßnahmen gemeinsam nachgedacht.