Jahr der Mandoline Hülser lieben Mandoline seit 100 Jahren

Krefeld · Sie ist das Instrument des Jahres 2023. Während andere es erst noch entdecken wollen, steht es beim Mandolinenorchester seit 1922 im Mittelpunkt.

Dirigentin Marijke Wiesenekker und Raimund Draken  mit dem Orchester bei der ersten Probe in diesem Jahr im Vereinsheim Bruckersche Straße. 

Foto: Andreas Drabben

Seit 2008 wird jedes Jahr vom Landesmusikrat Berlin ein Instrument gewählt, das bundesweit ein Jahr lang im Mittelpunkt steht. 2023 ist es die Mandoline: ein Zupfinstrument mit lautenförmigem, tiefbauchigem (birnenförmig) Korpus, kurzem Hals mit Bünden. Gespielt wird es mit dem Plektron. Typisch für den Klang ist das Tremolo bei länger anzuhaltenden Tönen. Der israelische Künstler Avi Avital, der in Berlin lebt und in den großen Konzertsälen der Welt die Mandoline auch im klassischen Bereich populär gemacht hat, ist Schirmherr und stellt am 1. Februar in Berlin das besondere Instrument vor. Während heutzutage für viele vermutlich das zart besaitete Instrument eher ein Exot ist, ist es für den Hülser Raimund Draken sein Lieblings-Instrument von Kind an. So wie für seinen Vater Hubert Draken. Ihre musikalische Heimat ist im „Mandolinen-Orchester Hüls 1922“.

Die Laute ist Vorgängerin der Mandoline und über 2000 Jahre alt

Die Mandoline ist kein junges Instrument. Vielmehr handelt es sich bei ihr um eine Unterart der Laute. „Mit dem wesentlichen Unterschied, dass die Saiten der Mandoline mit einem Plektrum angerissen, die einer Laute jedoch mit den Fingern gezupft werden“, erklärt Raimund Draken.

Lautenähnliche Instrumente sind seit 2000 Jahren aus dem vorderen Orient bekannt. Über die Mauren fanden die Vorläufer der Mandoline im 10. Jahrhundert nach Europa, wo sich später aus der Quinterne im 16. und 17. Jahrhundert die Sopranlaute, auch als Mandolino, Mandola oder Pandurina bezeichnet, entwickelte.

In der Mitte des 18. Jahrhunderts erfreute sich die vierchörige, in Quinten gestimmte neapolitanische Mandoline großer Beliebtheit, nachzulesen in dem umfangreichen Begleitheft zum „Instrument des Jahres“ 2023. „1750 hatte die Mandoline ihr Hochblüte in Paris und war das Instrument in den Salons“, zitiert Raimund Draken daraus vor der Probe im eigenen Vereinsheim an der Bruckerschen Straße. Dabei ist ihm das alles längst bekannt. Er ist nämlich nicht nur seit seinem achten Lebensjahr Musiker, sondern seit einigen Jahren auch mit der Dirigentin Marijke Wiesenekker Vorstandssprecher des Mandolinenorchesters Hüls und ganz frisch Sprecher des Landesverbands Bund Deutscher Zupfmusiker.

Auch wenn die Mandoline durch ihre eingeschränkte Lautstärke bis heute keinen festen Platz in einem Sinfonieorchester hat, haben berühmte Komponisten sehr wohl das feine und vielseitige Instrument zu schätzen gewusst. Mozart hat sie als erster in dem Ständchen „Deh vieni alla finestra“ aus „Don Giovanni“ als Solistin eingesetzt, ebenso wie darauf folgend Vivaldi, Hasse, Salieri und Paisiello. Doch dann verstummt sie wieder für lange Zeit bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. Verdi ist es, der sie 1887 in „Otello“ in einer Massenszene mit Kinderchor wieder einsetzt. Zeitgleich wird sie aber auch immer beliebter als Volksinstrument.

Aus Wandervogelbewegung entstanden die Orchester

„Die Mandoline war das Instrument der Wandervogelbewegung“, erzählt Raimund Draken. Sie war handlich, beim Wandern leicht zu händeln und in der Anschaffung mit neun Reichsmark erschwinglich. Im März 1922 hatten sechs junge, von der Natur begeisterte Männer aus Hüls den Wanderclub „Rheinland“ gegründet, die eben auch gern musizierten. Und weil sich die ersten Instrumente wie Gitarre, Klarinette und Waldhorn nicht zum gleichzeitigen Wandern eigneten, entschiedenen sich die Mitglieder für Mandoline und Gitarre.

„Neues Mitglied des Wandervereins konnte nur werden, der sei eigenes, möglichst geeignetes Instrument vorweisen konnte“, ist in der Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum vom Wanderclub zum Mandolinen-Orchester Hüls 1922 zu lesen. Dirigent der ersten Stunde (bis 1972) war Gerd Platen. Der konnte sich der guten Nachwuchsarbeit rühmen, als er 1949 beim ersten Auftritt nach dem Zweiten Weltkrieg den erst elfjährigen Solisten Hubert Draken auf die Bühne stellte.

„Das Mandolinenspiel war und ist bis heute mein Hobby wie für andere Fußball“, erzählt Raimund Draken. Er ist acht, als er unter dem Dirigat seines Vaters das Instrument erlernt. Mit 14 wechselt er in das Stammorchester, „wo die Messlatte deutlich höher lag“. Durch die erste Freundin und das Studium in der Fremde schwindet kurzzeitig das Interesse an der Mandoline. Doch nicht lange. Er besucht an seinem Studienort Konzerte, sucht sich eigene Orchester und spielt sich immer weiter hoch. „Irgendwann kam ich beruflich zurück nach Krefeld und zu meinem Heimatverein“, so Raimund Draken. An Nachwuchs mangelt es dem Mandolinenorchester nicht: 40 sind in der Ausbildung, 20 sind auf der Warteliste.