IG Metall Vorsitzender im Interview: „Die Würde des Menschen steht für uns im Vordergrund“
Peter Behr, 1. Bevollmächtigter der IG Metall Krefeld, geht in den Ruhestand und blickt zurück.
Krefeld. Peter Behr geht nach 48 Jahren Arbeitsleben und 33 Jahren hauptamtlich in der IG Metall in den Ruhestand. Zehn Jahre lang war er in der Funktion des 1. Bevollmächtigten in Krefeld tätig. Von Weggefährten und Freunden hat er sich bereits in der vergangenen Woche verabschiedet. Die WZ sprach mit dem Gewerkschaftsmann.
Peter Behr: Ja. Eine Vielzahl von Themen und Ereignissen sind in meiner Erinnerung wieder aufgetaucht. Gewerkschaftlich geprägt hat mich eine Arbeitsniederlegung in der Firma, in der ich Anfang der 70er Jahre beschäftigt war. Es ging um gerechtere Entlohnung. Die Beschäftigten waren sich einig, dass eine Verbesserung unbedingt notwendig war. Auf die Frage des Chefs, warum wir einen "wilden Streik" veranstalten, herrschte eine unerträgliche Stille. Allen Mut zusammennehmend erklärte ich, dass die Lebenshaltungskosten, die Teuerungsrate, so gravierend gestiegen seien, dass eine Erhöhung der Löhne und Gehälter unbedingt erforderlich sei. Es gab dann tatsächlich einen "Nachschlag". Dies war der Einstieg in mein gewerkschaftliches Engagement.
Behr: Insgesamt bin ich ja seit 25 Jahren in Krefeld bei der IG Metall tätig. Der Kampf um die Arbeitsplätze bei Philips in Linn ist mir unvergesslich. Von ehemals 3000 Arbeitsplätzen gab es in den 80er Jahren nur noch 1000. Diese wurden in den folgenden Jahren ebenfalls schrittweise vernichtet. Hunderte Frauen verloren ihren Arbeitsplatz. Trotz dieser für Krefeld negativen Entwicklung ließen sich die Menschen nicht entmutigen. Es folgten zahlreiche kreative Aktivitäten. Die Frauen zum Beispiel engagierten sich verstärkt für Gleichberechtigung und gleichen Lohn für gleiche Arbeit. Junge Menschen kämpften für eine bessere Ausbildung und mehr Ausbildungsplätze.
Behr: Die Gewerkschaften haben seit ihrem Bestehen bewiesen, dass die Würde des Menschen im Vordergrund ihrer Arbeit steht. Die Bestrebungen und der Kampf, erst um ein erträgliches, dann um ein gutes Leben der arbeitenden Menschen zu ringen, waren immer auf die Verwirklichung und den Erhalt von Demokratie und Gerechtigkeit gerichtet. Schon aus diesem Grunde sind Gewerkschaften in unserer Gesellschaft unverzichtbar. Ich habe immer wieder in vielen betrieblichen Auseinandersetzungen erfahren, dass die Menschen nur durch die Kraft ihres gewerkschaftlichen Zusammenhalts etwas erreichen können. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass gewerkschaftliches Engagement die Voraussetzung zur Verbesserung von Arbeits- und Lebensverhältnissen sein kann, wenn viele Menschen sich beteiligen.
Behr: Mir war es sehr wichtig, Menschen in und außerhalb der Betriebe zu ermutigen, sich gemeinsam für ihre eigenen Interessen zu engagieren. Sie dabei zu unterstützen, sie zu fördern und ihnen mit der Kraft der IG Metall den Rücken zu stärken, war mein besonderes Bestreben. Aktive Interessenvertretungen und selbstbewusste Belegschaften hatten für mich höchste Priorität, auch um damit der Erkenntnis Platz zu schaffen, dass die Arbeit der Menschen den wichtigsten Produktionsfaktor darstellt. Insbesondere große Unternehmen tendieren immer stärker dazu, nur noch profitorientiert den Gesetzen der Finanzmärkte Folge zu leisten und den Menschen nur noch als Kostenfaktor zu behandeln. Diese Handlungsweise bedroht Menschenwürde in Betrieb und Gesellschaft. Der gewerkschaftliche Kampf für menschenwürdige Arbeits- und Lebensbedingungen ist aus meiner Sicht von aktueller Brisanz. Das hat mich in den ganz besonders bewegt und wird - wenn auch in anderer Weise - meinen Ruhestand in kämpferischer Unruhe lassen.
Behr: Der Begriff "Krefeld, Stadt wie Samt und Seide" ist ein Relikt der Vergangenheit. Die weitaus größten Arbeitsplatzpotentiale sind in der Stahl- und der Metallindustrie, dem metallverarbeitenden Handwerk sowie in den Dienstleistungsbranchen. Es wird Zeit, dass Krefeld diese Veränderungen selbstbewusst realisiert und ein neues vorwärtsschauendes Selbstverständnis gewinnt.
Behr: Die Wirtschaftsstruktur- und Energiepolitik, damit mehr zukunftsfähige und menschenwürdige Arbeitsplätze in Krefeld und Umgebung geschaffen werden, sowie die soziale Unterstützung von Familien und Menschen in Not.