Immer mehr Frauen leben auf der Straße

Horst Renner von der Odachlosenhilfe linker Niederrhein beobachtet die Entwicklung mit großer Sorge.

Krefeld. Die Zahl der Frauen, die in Krefeld auf der Straße leben, steigt. „Vor allem werden sie immer jünger“, sagt Horst Renner von der Obdachlosenhilfe linker Niederrhein, der das auf seinen Touren durch die Stadt beobachtet. Die ehrenamtlichen Helfer des Vereins halten inzwischen auch Ausschau nach obdachlosen Frauen, die sich alleine oder mit Kind durchschlagen.
„Ziel ist es, Vertrauen und Zugang aufzubauen und die Betroffenen in kleinen Schritten an bestehende Hilfsangebote heranzuführen“, erklärt Renner. Der Zonta-Club unterstützt mit einer Benefizveranstaltung am Sonntag dieses schwierige Vorhaben finanziell.
Die „mobile und ambulante Einzelfallhilfe“ ist nur eins von mehreren Hilfsprojekten, das der vor zwei Jahren gegründete Verein ins Leben gerufen hat. Mit dem Kältebus fahren die Helfer ab Minus drei Grad regelmäßig in den Abendstunden vor allem durch die Innenstadt.

Ziele, die sie regelmäßig ansteuern, sind der Theaterplatz, der Südausgang des Hauptbahnhofs und die Fußgängerzone, aber auch Parks, geschützte Hauseingänge oder Abbruchhäuser. „Wir reichen den Menschen eine warme Mahlzeit und Getränke, aber auch Iso-Matten, Schlafsäcke, Kleidung oder andere Hilfsmittel“, erzählt Renner.
Wie groß die tatsächliche Gruppe der Wohnungslosen in Krefeld ist, lässt sich nur schätzen. 250 Menschen hat allein das Zentrum für Wohnungslose der Diakonie an der Lutherstraße im vergangenen Jahr beraten. Offensichtlich ist, dass sich die Zahl der Wohnungslosen im Alter von 18 bis 25 Jahren in den vergangenen zehn Jahren verdreifacht hat und die Zahl der Frauen darunter zunimmt.


Auch die Arbeit und die Sprache haben sich verändert. Ältere haben meist bis zu ihrem Absturz ein ganz normales Leben geführt, mit Familie, Kindern und einer Arbeit. Die Jüngeren hingegen haben meist nicht gelernt, für ihr eigenes Leben die Verantwortung zu übernehmen.


„Irgendwann haben Eltern die Schnauze voll von den Eskapaden ihrer Kinder — und schmeißen sie raus“, erzählt Renner. Sie haben keinen Job, kaum Geld, kriegen keine Wohnung und hätten oft wegen ihrer Verweigerungshaltung auch keinen eigenen Wohnrechtsanspruch gegenüber Behörden. Das treffe auch immer häufiger auf junge Frauen zu, die entweder selber Drogenprobleme hätten oder aber deren Partner. Irgendwann landeten sie dann auf der Straße.

„Ein frauenspezifisches Problem ist es, dass sie ihre Wohnungslosigkeit lange verschweigen“, berichtet Renner. Dadurch fielen sie dem Team des Kältebuses oder den Mitarbeitern des eigenen Sozialkaufhauses an der Oberstraße nicht auf. Sie würden zunächst versuchen, bei Freundinnen unterzukommen. Irgendwann bliebe aber nur noch das Übernachten bei Zufallsbekanntschaften. „Häufig ist in solchen Fällen sexuelle Nötigung oder letztlich Prostitution im Spiel.“ Diesen Teufelskreis will Renner mit seinen Helfern durchbrechen.