Integrationsrat Interview mit Sayhan Yilmaz: „Spielraum nutzen, um zu helfen“
Sayhan Yilmaz ist seit einem halben Jahr Vorsitzender des Integrationsrats. Kritisch betrachtet er die Ausländerbehörde.
Krefeld. In der Türkei geboren, nach Deutschland gezogen, in Duisburg zur Schule gegangen, danach studiert, in verschiedenen deutschen Städten gearbeitet: Sayhan Yilmaz ist rumgekommen. Aber die Seidenstadt ist für ihn bewusst ausgesuchte Wahlheimat. Hier ist der Bündnis-Grüne seit einem halben Jahr Vorsitzender des Krefelder Integrationsrats. Zeit für eine erste Zwischenbilanz.
Herr Yilmaz, wenn Sie gefragt werden, ob Sie integriert sind, was sagen Sie dann?
Sayhan Yilmaz: Eigentlich ja, bis mir jemand diese Frage stellt. Wahre Integration ist, wenn niemand danach fragt. Ist es leicht, sich zu integrieren? Das kommt darauf an, wie groß die selbstauferlegten Mauern sind. Es gehören immer zwei dazu: einen, der sich integrieren möchte, und einen, der ihn annimmt.
Glauben Sie, dass es leicht ist, sich zu integrieren?
Yilmaz: Ob es schwer oder leicht ist, kommt darauf an, wo man in Deutschland lebt. Ich glaube, dass es in Krefeld eher leicht ist. Die Menschen sind hier etwas anders als woanders. Ich spüre Offenheit. Die ist schon etwas Besonderes. Toleranz hat in dieser Stadt eine ganz lange Tradition. Und es gibt nur wenige Ausnahmen, zum Beispiel die paar Figuren, die vor ein paar Monaten eine Demo machen wollten und wegen denen wir eine Gegendemo gemacht haben.
Wenn es so leicht ist, braucht man dann überhaupt einen Integrationsrat?
Yilmaz: Nur weil es leicht ist, ist es kein Selbstläufer. Deshalb braucht man ihn wie in anderen Städten auch.
Sie sind jetzt seit einem halben Jahr Vorsitzender des Integrationsrats. Wie war diese Zeit?
Yilmaz: Am Anfang war es ein bisschen schwierig. Ich wollte so viele Sachen, hatte aber keinen Ansprechpartner, weil die Integrationsbeauftragte erkrankt war. Dass der Oberbürgermeister den Bereich Integration dem Bereich Schule untergeordnet hat, war ein Affront. Integration hat nicht nur etwas mit Schule zu tun. Aber im Moment stelle ich die Frage, ob das sinnvoll ist, nicht, weil ich eine kompetente Ansprechpartnerin habe. Mit der Arbeit des Kommunalen Integrationszentrums und der Zusammenarbeit mit uns bin ich sehr zufrieden. Ich bin Pragmatiker. Solange die Ergebnisse stimmen, brauche ich nicht gegen Windmühlen anrennen.
Wo sehen Sie Punkte, an denen gearbeitet werden muss?
Yilmaz: Ein großes Thema bleibt die Ausländerbehörde, in der es vor drei Jahren Probleme gab. Meine Frau ist ja noch Türkin. Wir haben es damals auch nicht geschafft, innerhalb von zwei Monaten einen Termin zu bekommen. Mittlerweile hat sich die Personalsituation beruhigt. Aber das Image unter den Kunden ist immer noch schlecht. Die Stimmung ist gereizt und wird noch angeheizt durch die Querelen um das Thema Flüchtlinge und die ausländerrechtliche Beratungskommission.
Die Beratungskommission hat ihre Arbeit eingestellt, weil sie von der Zusammenarbeit mit der Ausländerbehörde enttäuscht ist. Können Sie das verstehen?
Yilmaz: Ich kann die Entscheidung nachvollziehen. Ich habe auch in meiner Antrittsrede im Stadtrat den Oberbürgermeister eindringlich gewarnt. Die Ausländerbehörde spricht von geltendem Recht, die Kommission von Handlungsspielräumen innerhalb des Gesetzes. Ich denke, die Zahlen sprechen für sich. In anderen Kommunen gibt es Dutzende Fälle, in denen solche Kommissionen erreichen konnten, dass die Behörden Milde walten ließen. Zum Beispiel in Köln werden die Bedenken der Kommission viel mehr berücksichtigt. Seit der Gründung in Krefeld 2009 hat es aber nur einen einzigen Fall gegeben. Das wäre schon ein sehr großer Zufall, wenn es in anderen Kommunen einen Ermessensspielraum gäbe und in Krefeld nicht. Ich glaube schon, dass man Gesetze so interpretieren kann, dass Menschen geholfen wird. Wo ein Wille ist, ist ein Weg. Der Integrationsrat hat eine Kundenzufriedenheits-Umfrage empfohlen. Es ist die große Chance zu zeigen, dass die Arbeit der Behörde besser ist als ihr Ruf.
Abgesehen vom Bleiben oder Gehen — was muss Ihrer Meinung nach passieren, um die Flüchtlinge, die nun in großer Zahl nach Krefeld kommen, zu integrieren?
Yilmaz: Jeder, der nach Deutschland kommt, muss versuchen, Deutsch zu lernen. Das ist die Grundvoraussetzung für Kommunikation, Interaktion und friedliches Miteinander. Ich glaube, dafür gibt es in Krefeld gute Angebote und viele Beispiele. Ansonsten ist Bildung absolut wichtig. Jeder sollte, unabhängig von seiner Herkunft, die Chance bekommen, sich so zu bilden beziehungsweise weiterzubilden, wie es seinem Willen und seiner Kapazität entspricht. Nicht jeder möchte studieren, aber wenn er es will, dann soll er es auch können. Als problematisch sehe ich bei uns die frühe Schulempfehlung. Ich glaube, dass integrative Schulmodelle am besten sind, die sie die Kinder möglichst lange zusammen lernen lassen. Eine weitere Gesamtschule in Krefeld begrüße ich sehr.
Welche Pläne haben Sie in der nahen Zukunft im Integrationsrat?
Yilmaz: Ich hätte unter anderem gerne ein Budget für den Integrationsrat, über das der Integrationsrat selbst entscheiden kann, um einen Integrationspreis zu dotieren oder Projekte zur Integrationsförderung anzustoßen oder zu unterstützen.