Kaffeefans lieben Omas Porzellanfilter
Kleine Röstereien wie Sweets & Beans in Uerdingen oder Crefelder Ltd. in Mitte boomen. Bei den Kunden mahlt der größte Teil selbst und viele brühen per Hand auf.
Krefeld. Wenn Christine Tessier Zeit hat, brüht sie sich ihren Kaffee per Hand, über einen speziellen Porzellanfilter, auf. „Ohne Papierfilter“, sagt die 39-Jährige, die vor fast genau zwei Jahren mit ihrem Bruder das „Beans & Sweets“ an der Niederstraße in Uerdingen eröffnet hat. Mit ihrer persönlichen Vorliebe für diese Art der Zubereitung ist die Kaffeerösterei-Inhaberin sich einig mit einem großen Teil ihrer Kunden. „Die meisten von ihnen trinken Filterkaffee, entweder mit der Maschine oder per Hand aufgebrüht“, erzählt Tessier über den weiter wachsenden Trend unter den Krefeldern, die bei ihr einkaufen.
Es sei darunter zwar „alles“, vom Liebhaber mit Hightech-Siebträgermaschine, Vollautomat, French press — auch Cafeterie genannt — oder Espressokocher für die Herdplatte. „Aber es gibt ein großes Comeback von Omas Porzellanfilter mit Papierfilter“, sagt Christine Tessier.
So oder so, Kaffee gehört zu den Lieblingsgetränken der Deutschen, wie die Zahlen zeigen. Im vergangenen Jahr trank jeder im Durchschnitt etwas mehr als 160 Liter. Das sind also im Schnitt 0,44 Liter pro Tag pro Person. Nach einer Studie des Deutschen Kaffeeverbandes konsumiert fast jeder Bundesbürger das Heißgetränk täglich: und zwar 80 Prozent. 60 Prozent greifen mehrmals am Tag zu einer frischen Tasse.
Dabei steigt die Zahl derjenigen, die statt auf Kaffee aus industriell gerösteten Bohnen, wie er in Discountern und Supermärkten zu finden ist, auf den aus kleinen Kaffeemanufakturen zurückgreifen. Der größte Unterschied bei den Produkten sind der Zeitfaktor und die Temperatur, mit der gearbeitet wird. Industrielle Röstverfahren brennen die Bohnen bei bis zu 800 Grad in ein bis drei Minuten fertig. Im Gegensatz dazu werden zum Beispiel bei der Wiener Röstung 18 bis 24 Minuten lang höchstens 190 Grad erzeugt.
Das ist einerseits eine Frage der Aromen, die dabei entstehen können. Aber schonend geröstet ist auch gleichzeitig magenschonend. Aber bei den privaten Kaffeeröstereien spielen auch, neben der gesicherten Herkunft, Faktoren wie die Art des Anbaus, ökologische Aspekten und faire Bezahlung der Kaffeebauern eine Rolle.
So ist es auch bei Thomas Dieker der Fall, der seit 2004 die Crefelder Ltd. an der Breite Straße betreibt und Kaffees vor allem aus Afrika, Mittel- und Südamerika anbietet. Beispiel: ein äthiopischer Wildkaffee aus biologischem Anbau und mit Fairtrade-Siegel. „Das ist ein wildwachsender Kaffee aus dem Unesco-Reservat Bonga Forest, der lange Zeit wegen großer Nachfrage nicht mehr zu bekommen war, den ich aber seit vier Jahren wieder verkaufen kann“, erzählt der 46-Jährige.
Sein teuerstes Produkt im aktuellen Sortiment ist ein Biokaffee aus Mexiko. Die Maragogype-Bohne wird auch Elefantenbohne genannt. „Die ist doppel so groß wie die normalen und hat sehr wenig Säure“, sagt der Experte, der seine Bohnen französisch oder deutsch röstet, also bei maximal 230 Grad „für Pi mal Daumen 15 Minuten“. Wenn er bei der Röstung mal mehr, mal weniger Sauerstoff „dazupacke“, ergebe sich dann der Unterschied zwischen deutschen und französischen — bei Letzterer entstehe eine intensivere, dunklere Röstung.
Sowohl seine als auch die Kunden der Tessier-Geschwister bevorzugen Kaffees aus Arabica- im Gegensatz zu Robusta-Bohnen. „Wer Schwung in der Tasse will, würde zwar Robusta wählen, der doppelt so viel Koffein hat, aber Arabica ist für die meisten einfach besser verträglich“, bilanziert Dieker, der gerade selbst einen Kaffee aus Costa Rica liebt. „Aber das ändert sich auch ständig, wenn man an der Quelle sitzt“, sagt der Röster und Händler, der 2017 sechs Tonnen Kaffee verkaufte. Davon ging ein Drittel an der Breite Straße über die Theke. Der Rest kam durch Direktvertrieb und Internet-Handel zu den Kunden.
Die direkte Belieferung von Bäckereien, Gastronomen oder auch Büros hatte Dieker 2007 begonnen, als es „für die Rösterei knapp stand“. Der Internet-Handel sei ein „extrem wachsender Bereich“, sagt der Selbstständige, der sein Geschäft alleine betreibt. Seine Röstungen gehen in die ganze Republik. „Witzigerweise oft auch an Krefelder Exilbürger“, sagt er lachend.
Ins Internet-Geschäft starten wollen auch Christine Tessier und ihr Bruder Anfang des Jahres. Im vergangenen Jahr verkauften sie „etwas mehr als zwei Tonnen Kaffee“, nach dem Geschäftsstart 2016 war es zunächst etwas mehr als eine Tonne gewesen. Gewissermaßen ein Glücksfall im Sortiment, zu dem Importe aus Brasilien, Honduras, Peru, El Salvador und Äthiopien gehören, waren zwei Säcke, also 120 Kilogramm, El Jaguar aus Mexiko. „Der kommt aus einer ganz kleinen Plantage, die schafft pro Jahr nur 40 Säcke“, berichtet Tessier.
THOMAS DIEKER Der 46-Jährige hat Wirtschaftswissenschaften studiert und früher als Programmierer gearbeitet, wodurch er in einer Bremer Kaffeerösterei mit etwa 30 Jahren seinen „ersten hochwertigen Kaffee getrunken hat“, was ihn schließlich beruflich beeinflussen sollte. 2004 eröffnet er die Rösterei Crefelder Ltd..
Christine TESSIER Die gebürtige Deutsche Christine Tessier wuchs in Kanada auf, kam 2008 nach Deutschland zurück und begann 2015, sich mit Kaffee zu beschäftigen und die ersten Rösterkurse zu belegen. Schon während der Highschool habe sie davon geträumt, ein Café aufzumachen, sagt die gelernte Maskenbildnerin und Friseurmeisterin, deren Familie in Kanada vom Geschäft mit Ferienhäusern lebte. Ihr Bruder Alexander Tessier (37), der gelernter Metzger ist, hatte sich vor einigen Jahren selbst einen Siebträger gekauft und sich dann mit verschiedenen Aufbrühtechniken beschäftigt. Die industriell gerösteten hätten ihm nicht gefallen, also begann er selbst, bei privaten Kaffeeröstern zu kaufen. „Die familiäre Liebe“ zu Kaffee und zum Führen eines Geschäfts seien die Grundlage für den Schritt in die Selbstständigkeit gewesen, sagt die Schwester.