Reportage Mit Macht geht’s zu Fuß durch die Innenstadt

Krefeld · Unser Redakteur Werner Dohmen machte bei den „Bodentruppen“ des Rosenmontagszuges mit. Er hat sich der Gruppe des Theaters Krefeld-Mönchengladbach angeschlossen – für beide Seiten war das eine Premiere.

Unverkennbar: Die Gruppe des Gemeinschaftstheaters Krefeld-Mönchengladbach im Krefelder Rosenmontagszug hat Anleihen bei „Star Wars“ gemacht. Getreu dem Motto „Theater mit Zukunft – Die macht ist mit uns“ sind „Meister Grosse“ (Intendant) und „Meister Meyer“ (OB) auf dem Mottowagen zu sehen. Mittendrin in der Truppe unser Redakteur Werner Dohmen (3.v.r.).

Foto: Andreas Bischof

11.11 Uhr. Es nieselt. Und es ist kalt. Wie sind wir nur auf die Idee gekommen, einen Reporter beim Krefelder Rosenmontagszug 2020 mitgehen zu lassen? Diese Frage habe ich mir in den letzten Minuten schon häufiger gestellt, denn besagter Reporter bin ich. Über Karneval berichte ich für die WZ schon seit mehr als 30 Jahren – doch zu Fuß mitgegangen bin ich noch nie. Das soll heute anders werden: Auf dem Sprödentalplatz treffe ich die knapp 25-köpfige Gruppe des Gemeinschaftstheaters Krefeld-Mönchengladbach. Premiere also.

Mit Premieren kennen sich die Frauen und Männer aus den Sparten Oper, Schauspiel, Orchester, Statisterie, Technik, Werkstatt, Besucherservice, Kostüm und Maske ja bestens aus. Auch für sie selbst steht heute eine solche Premiere an: Zum ersten Mal seit vielen Jahren ist das Theater beim Karneval aktiv dabei – und das gleich doppelt: Rosenmontag in Krefeld, Veilchendienstag in Mönchengladbach – wie es sich für das Zwei-Städte-Haus gehört.

Der kleine Motto-Wagen ist schnell gefunden: „Theater mit Zukunft – Die Macht ist mit uns“ ist darauf zu lesen. „Meister Grosse“ und „Meister Meyer“ blicken gemeinsam in die Zukunft. Der Entwurf stammt von Peter Schmitz, der auch Mitglied des Betriebsrates ist. Dort war übrigens im November die Idee zur Teilnahme entstanden. Der Wagen wurde in der Theaterwerkstatt in Fischeln gebaut. Dem echten OB, der zufällig gerade vorbeischaut, gefällt sein Doppelgänger.

„Wo ist Peter Schmitz?“ – Auf meine Frage deutet eine junge Frau mit Ordner-Weste auf eine große Dame mit pinkem Röckchen und blonder Walle-Perücke: Der Organisator des Auftritts an Karneval hat ein ausgefallenes Kostüm gewählt. Viele seiner Kollegen tragen Star-Wars-Mäntel und Laser-Schwerter – doch die Perücke sticht alle aus.

11.25 Uhr: „Wir sind im Zug die Nummer 19“, berichtet Schmitz. Bis zum Abmarsch um 12.11 Uhr ist noch viel Zeit. Diese wird genutzt, um sich ein bisschen mit „Star-Wurst“ und Kuchen zu stärken und die Taschen mit dem Wurfmaterial zu bestücken. Kamelle, Lutscher und dicke Theater-Programmhefte werden verteilt. „Ganz schön schwer“, meint Moritz Debock, der an der Hochschule Niederrhein Kulturpädagogik studiert und am Theater in Rheydt im Service und im Jugendclub arbeitet.

„Wir haben für beide Tage Wurfmaterial für rund 1000 Euro“, erzählt Schmitz. Finanzielle Unterstützung kam vom Theater und dem Förderverein – alle Akteure auf der Rosenmontagsbühne sind aber in ihrer Freizeit hier, berichtet Ute Hermanns-Küsters, die wie Schmitz und Christiane Hennig zum Organisationsteam gehört. Für die Verpflegung sorgt der Theatergastronom Detlef Krengel.

11.45 Uhr: Dominik Lang bittet zum Probelauf: Der Schlagzeuger der Niederrheinischen Sinfoniker hat eine kleine Percussiongruppe auf die Beine gestellt. „Passend zum Motto spielen wir nach einem Zahlencode“, erzählt er im Verschwörer-Ton: 1,3,5, 7,5 lautet der Rhythmus. Ich verstehe nur Bahnhof, doch Peter Schmitz haut schon kräftig auf die Pauke.

11.55 Uhr: Schauspieler Paul Steinbach summt als „Bee-Man“ umher, muss sich warm halten: Die Kampfbiene legt noch einen Schal um. Der Münchener kennt sich im Fasching aus, als Aktiver am Rosenmontag in Krefeld unterwegs zu sein, ist Neuland für ihn.

12.25 Uhr: „Achtung, gleich geht’s los“, ruft Schmitz. Das berittene Amazonencorps ist schon abmarschiert. Alle sind froh, dass die Warterei ein Ende hat – mich selbst eingeschlossen, denn die Füße sind eiskalt.

12.35 Uhr: Den Mottowagen vorneweg, biegen wir in die Uerdinger Straße ein – und schon fliegen die ersten Kamelle. Rechts und links stehen junge und alte Menschen, viele Familien mit Kindern. „Helauuu“, schallt es uns von allen Seiten entgegen, flehende Hände recken sich in die Luft.

12.55 Uhr: Der Zug biegt auf die Philadelphiastraße ab. Bis hierher war die Stimmung toll, doch jetzt wird es ruhiger: Nur wenige Jecken warten am Zugweg. Erst als wir uns auf der Neuen Linner Straße dem Ostwall nähern, wird es wieder voller. Moritz Debock entdeckt sein Talent für den Kamelle-Hoch-Weitwurf: Bis hinauf in den vierten Stock schleudert er die Leckerei.

13.10 Uhr: Über den Theaterplatz geht es an der Heimstatt der Fußtruppe vorbei. Hier warten Bekannte: Küsschen links, kurze Umarmungen rechts. Aus einem Lautsprecher wird das Theater-Team um Peter Schmitz dröhnend begrüßt – was sich im Laufe des Zuges noch mehrfach wiederholt.

13.30 Uhr: Beim Abbiegen in die Friedrichstraße gibt es den ersten längeren Stau. Die Kälte ist mittlerweile kaum noch zu spüren, die Truppe nutzt die Zwangspause für einen schnellen Snack und für das Auffüllen der Taschen.

13.45 Uhr: Im Eiltempo geht’s dann plötzlich über den Ostwall, auf der Fahrbahn gegenüber ist kurze Zeit das Zugende mit dem Prinzenwagen zu sehen. Kurz vor dem Hauptbahnhof rückt Dominik Lang bei Peter Schmitz mit einem Spezialschlüssel an. Der Grund dafür ist: Das Fell der Pauke muss nachgezogen werden. Die Nässe ist schuld.

14.10 Uhr: Auf der Breite Straße wirft Moritz Debock den Star-Wars-Mantel ab: „Ich trete mir selbst immer drauf“, verrät er. Doch als Teil der Truppe ist er immer noch erkennbar: Auf der Kamelle-Tasche ist das Theater-Logo zu sehen.

14.45 Uhr: Wieder Stillstand – diesmal auf der Hubertusstraße. „Ich höre nur noch wie unter einer Glocke. Und der rechte Arm tut auch schon weh“, stöhnt „Pauken-Mann“ Peter Schmitz in der Verschnaufpause. Dabei muss er am Veilchendienstag in Gladbach noch einmal ran.

14.55 Uhr: Wir erreichen den Nordwall, meine heutige Vorstellung geht zu Ende: Ich verabschiede mich von Peter Schmitz und seiner Truppe.
Der Rest spielt sich für mich hinter den Kulissen ab. Denn dieser Artikel hier muss noch geschrieben werden –
und die müden Füße brauchen Ruhe.