Hilfe und Prävention Prävention ist der beste Opferschutz
Ob die Amok-Drohung am Maria-Sibylla-Merian-Gymnasium oder ein randalierender, unter Drogen stehender Mann, der nach einem Angriff auf eine Krankenschwester im Helios-Klinikum sich auf einem nahen Hausdach verschanzte und damit droht, runter zu springen – die Situationen in den vergangenen Wochen sind vielfältig gewesen, in denen das Wissen und Können der beiden Polizistinnen Melanie Levi und Madeleine Holstein im oder nach einem Einsatz gefragt sind.
Die beiden Frauen arbeiten als Opferschutzbeauftragte bei der Polizei Krefeld und teilen sich die bisherige Vollzeitstelle von Ute Nöthen-Schürmann, die in Ruhestand gegangen ist. Dass sie deren wegweisende Arbeit für den Opferschutz in NRW fortsetzen können, macht sie beide stolz. „Krefeld hat durch sie Vorbildfunktion für externe Partner erhalten“, sagt Madeleine Holstein.
Das Gewaltschutzgesetz ist Meilenstein zum Schutz der Opfer
In der Kriminalitätsstatistik des Jahres 2021 für Krefeld sind 20 393 Fälle registriert. Von Tötungsdelikten angefangen über sexualisierte Gewalt an Kindern, Frauen und Männern, Straßenkriminalität bis hin zu Einbrüchen, Betrug und Fahrraddiebstahl. Hinter den nüchternen Zahlen stehen junge und alte Menschen, Frauen wie Männer, die Opfer einer Straftat geworden sind. Die nicht nur möglicherweise einen materiellen Verlust erleiden, sondern in vielen Fällen auch körperliche und seelische Schäden erfahren. Oder Menschen, die Opfer oder Zeuge eines Unglücksfalls werden. Das macht deutlich, wie notwendig und wichtig polizeilicher Opferschutz ist.
Ute Nöthen-Schürmann war viele Jahre im Bereich „der Strafverfolgung von Sexualstraftaten zum Nachteil von Frauen und Kindern, in der polizeilichen Prävention im Bereich der Gewalt in der Familie und insbesondere im Bereich der sexualisierten Gewalt“ tätig. Sie war Teil eines wachsenden Netzwerks in Krefeld, zu dem Vertreterinnen der Stadt Krefeld, der Krisenhilfe, des Kinderschutzbundes, Sozialdienst katholischer Frauen, der Frauenberatungsstelle, den evangelischen und katholischen Beratungsstellen, des Weißen Rings und mehr gehören.
„Prävention ist der beste Opferschutz“, lautet die Erkenntnis aus der Arbeit ihrer Vorgängerin für Melanie Levi. Ute Nöthen-Schürmann hat sich stark dafür mit eingesetzt, dass häusliche Gewalt strafbar wurde und das Gewaltschutzgesetz ab dem Jahr 2002 vorwiegend Frauen und Kindern als Opfer häuslicher Gewalt Schutz in den eigenen vier Wänden bietet.
Seit 2019 ist nun per Erlass geregelt, dass der Opferschutz dezentral bei der Polizei laufen soll. Vorläufer dafür war die Pionierarbeit in Krefeld. Melanie Levi ist inzwischen Kriminalhauptkommissarin. Nach ihrer Ausbildung an der Fachhochschule Hagen wurde die heute 39-Jährige im Jahr 2003 nach Krefeld versetzt, zunächst zur Direktion Verkehr, wo sie Wach- und Streifendienst absolvierte.
2016 wechselt sie zum Landeskriminalamt nach Düsseldorf in den Bereich polizeiliche Kriminalstatistik und macht dort den sogenannten Bereichswechslerlehrgang, um zur Kriminalpolizei zu wechseln. „Früher gab es noch eine zweigeteilte Ausbildung zum Streifenpolizisten oder Kripobeamten, heute ist sie vereinheitlicht als Polizeibeamter oder -beamtin“, ergänzt Elena Oymanns, von der Pressestelle der hiesigen Polizei. Schon damals hätte Melanie Levi die Arbeit der Opferschutzbeauftragten gereizt; „doch die Stelle war sehr gut besetzt“, sagt sie im Rückblick.
Madeleine Holstein ist Kriminaloberkommissarin. Von 2003 bis 2006 studierte sie an der FH Duisburg und trat 2006 ihre erste Stelle in Düsseldorf an. Es folgten ein Jahr Objektschutz und fünf Jahre Wechseldienst in der Altstadt-Wache. Danach bewarb sich die heute 40-Jährige für den Einsatz in Spezialeinheiten und wurde eingesetzt in der Verhandlungsgruppe. „Das sind die Psychologen der Polizei und übernehmen bei Einsätzen die Einschätzung der Gefahrenlage und Kommunikation mit Tätern und Opfern“, erklärt Madeleine Holstein.
Es folgte der Wechsel zum Staatsschutz beim Landeskriminalamt, wo sie weitere fünf Jahre arbeitete. Bis zum vergangenen Herbst. Denn auch sie hatte sich auf die Stellenausschreibung der Polizei Krefeld beworben. Beide haben Kinder und sind froh, Arbeit und Familie durch die geteilte gemeinsame Stelle vereinbaren zu können.
Drei Monate haben die beiden neuen Kolleginnen Ute Nöthen-Schürmanns auf ihrer „Abschiedsrunde“ begleitet. „Die Netzwerkarbeit ist ein großer Teil unserer Arbeit; über die schnell und unbürokratisch Hilfe und Unterstützung Opfern gewährt werden kann“, sagt Madeleine Holstein.
Beide setzen darauf, ihre Kollegen und Kolleginnen im Einsatz für den Opferschutz zu sensibilisieren und über die Möglichkeiten aufzuklären. „Wichtig ist, den Opfern unvoreingenommen entgegenzutreten und Vertrauen zu vermitteln“, sagt Melanie Levi. Die Polizeibeamten sind beispielsweise bei häuslicher Gewalt als Erste vor Ort, um zunächst weitere Gefahr abzuwenden. Wenn mit dem Beschuldigten alles geklärt sei, wendeten sich die Kollegen den Geschädigten zu, um sie zu beruhigen und Hilfsangebote weiterzugeben. Sie könnten auch die beiden Opferschutzbeauftragtinnen hinzurufen, ebenso wie die Seelsorge. Doch auch danach sind Melanie Levi und Madeleine Holstein weiter Ansprechpartner für Opfer und halten den Kontakt – solange wie nötig.