Lesung Geschlechterrollen der 70er Jahre sorgen für Gelächter
Mathias Berg las aus „Die Kriminalistinnen: Acht Schüsse im Schnee“.
Einen Tag vor der Geburt von Mathias Berg hat ein blutbesudelter Nachbar aus dem Mehrfamilienhaus an der Wohnungstür der Familie geklingelt. Er hatte gerade seine Frau erschossen. Ob das dazu geführt hat, dass Berg Autor wurde, erfährt der Besucher der Krimilesung in der Mediothek am Dienstagabend nicht. Die Geschichte greift er in seinem aktuellen Krimi auf jeden Fall nicht auf. Bevor er auf sein Werk: „Die Kriminalistinnen: Acht Schüsse im Schnee“ eingeht, gibt Berg einen Überblick über seine bislang geschriebenen Krimis – angefangen 2016 mit dem Thriller „Das Mädchen auf der anderen Seite“ eine Veröffentlichung, die aus der Rowohlt-Krimischule entstanden war. 2021 und 2022 folgte die „Cold-Case“-Reihe um die junge forensische Psychologin Lupe Svensson und den fast pensionierten Kommissar Otto Hagedorn.
Das Buch, das er an diesem Abend vorstellt, bezeichnet er als einen „Retro-Krimi“. Der Blick geht zurück in die späten 1960er/frühen 70er Jahre und die wichtigsten Ereignisse passieren wohl im Winter 1970. Und damit beginnt der erste Teil des Ausflugs im Foyer der Mediothek in jene Zeit und der Autor schildert unterhaltsam sowie mit Fotos von historischen Zeitungsartikeln das Besondere an den Kriminalistinnen. Es waren mutige junge Damen im geforderten Alter von 22 bis 28 Jahren, die nach einer abgeschlossenen Berufsausbildung – so wie die Hauptperson Lucia Specht im Roman als Sekretärin – dann als Quereinsteigerinnen eine Ausbildung bei der Polizei absolvierten. Sie waren Pionierinnen; so hat Berg unter anderem herausgefunden, dass 1969 18 angehende Polizistinnen in Köln und Düsseldorf eingestellt wurden und ihre Ausbildung hauptsächlich im Präsidium absolvierten. Revolutionär war dabei auch die Ausbildung an der Waffe für die jungen Frauen.
Für viel Schmunzeln und Gelächter sorgen dann die Ausführungen des Autors zu den Moralvorstellungen und den Geschlechterrollen jener Zeit und er gibt auch einen Überblick in die Sittengeschichte, die Veränderungen vielfach ausgehend von Dänemark, die ersten Nacktbilder im Fernsehen, die Liberalisierung der Sexualität.
Der Mord im Schnee ist ein
echter Fall aus Düsseldorf 1970
In dem Kontext sind Lucia Specht und ihre Kolleginnen erst einmal Hüterinnen der Tradition, als Sittenpolizei versuchen sie, die Gesetze des Jugendschutzes in einem Tanzlokal mit einer Ausweiskontrolle durchzusetzen. Da helfen auch ihre Dienstmarken kaum und sie hören schon mal die Frage, wann denn noch ein richtiger Polizist vorbeikomme. Trotz der Kreativität der jungen Leute inklusive Minderjährigen schaffen es die Kriminalistinnen mit männlicher Unterstützung eine Reihe Jugendlicher mit einer „Minna“ zur Wache zu bringen und dort die Personalien feststellen zu lassen – und wie peinlich: dort von den Eltern abgeholt zu werden.
Um auch in Details die richtige Atmosphäre zu schaffen, hat sich Berg auch durch alte Zeitungen, Unterhaltungs- und Dokumentarfilme schlau gemacht; schließlich hat er diese Zeit nur im Windelalter erlebt. Das kommt ziemlich überzeugend herüber, mache Details hätte die eine oder andere im Publikum aus eigener Anschauung noch beitragen können.
Der erste Mordfall, mit dem sich die Düsseldorfer Kriminalistinnen im Buch beschäftigen müssen, hat tatsächlich stattgefunden, wie Zeitungsausschnitte deutlich machen. Im Februar 1970 wurde der Düsseldorfer Getränkemillionär im Schnee vor seiner Villa mit acht Schüssen getötet. Damit kommt die Geschichte in die vornehmsten Kreise der Stadt und ihr Alltag inklusive Kunstszene spiegelt sich natürlich auch im Krimi wider.
Doch ein Mord allein reicht dem Autor nicht. Er spinnt einen weiteren Faden mit einem ungeklärten, mysteriösen Unfall, bei dem die Mutter der Hauptfigur und Ich-Erzählerin im Buch zu Tode kommt. Damit wird das Publikum gerade einmal „angefüttert“ und dann sollte man das Buch käuflich erwerben; bei dieser Gelegenheit natürlich vom Autor signiert.