Handball HSG-Trainer Felix Linden schreibt Bücher
Krefeld · Der 31-Jährige möchte als junger Coach des Handball-Zweitligisten seinen Sport weiterentwickeln. Über akribische Analysen und die besten Inspirationen.
Zu den taktischen Kniffen eines Trainers im Basketball gehört das Mismatch. Er verschiebt seine Leute so, dass ein besonders großer, kräftiger Spieler auf einen eher schmächtigen Gegner trifft. Das Team soll sich so in einzelnen Spielzügen durch die körperliche Überlegenheit einen Vorteil verschaffen. Kann das, was im Basketball funktioniert, auch im Handball klappen? Und wenn ja, wie? Solche Fragen treiben Felix Linden, Coach der HSG Krefeld, um.
Der 31-Jährige will seinen Sport weiterentwickeln – mit Akribie und ungewöhnlichen Ansätzen. Das, was er dabei zu sagen hat, interessiert auch andere Handballer. Kürzlich hat er ein Fachbuch für Sportler veröffentlicht. Darin erklärt er gemeinsam mit Co-Autor Jörg Madinger verschiedene Varianten für den Freiwurf. Enthalten ist auch ein Ansatz, wie das Mismatch im Handball funktioniert. Es ist das dritte Handball-Buch, das Linden veröffentlicht hat. Weit vierstellig hätten sich die Bücher bislang verkauft, sagt Linden.
Linden ist einer, der alles nach seinem Sport ausrichtet. Seit 16 Jahren trainiert er Teams. Dementsprechend ungewöhnlich sind diese Wochen für ihn. An Teamsport in der Halle ist aufgrund der Corona-Auflagen nicht zu denken. „Die HSG ist in Kurzarbeit“, sagt Linden. Deshalb hat der hauptberufliche Grundschullehrer ungewöhnlich viel Zeit. Die will der Taktiker nutzen, um neue Ideen zu entwickeln. „Jetzt ist Zeit zur Reflexion“, sagt Linden.
In einer Videokonferenz habe er sich mit anderen Trainern zusammengeschaltet. Jeden Tag versuche er, ein Handball-Spiel zu schauen. Ohnehin arbeite er viel mit Daten und Fakten. Mit dem Schnittprogramm am Computer fasst er zudem entscheidende Szenen im Video zusammen. „Man wird besser, wenn man die Komfortzone verlässt.“ Das heißt für den Krefelder zu analysieren. Diese fundierte Kenntnis hilft wohl dabei, Fachbücher für andere Trainer zu verfassen. Das nächste Projekt läuft bereits. Es soll um Handballtraining für Kinder im Grundschulalter gehen.
Um das Spiel der Älteren weiterzuentwickeln, schaut sich Linden auch andere Sportarten an. Nicht nur beim Basketball findet er neue Ansätze. Auch die Laufwege beim American Football interessieren ihn. Volleyball und Hockey hat er sich ebenso angeschaut. Aktuell begeistert ihn auch das Angriffsspiel von Borussia Mönchengladbach und RB Leipzig im Fußball. Es geht dabei vor allem um Inspirationen. Für Linden ist diese Neugier ein Markenkern. Er sei ein junger Trainer, der anders denkt. Sein Motto: „Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.“
Dass diese Ansätze mehr als schlaue Sprüche sind, beweist das aktuelle Freiwurf-Buch. Damit zeigt Linden, dass er tatsächlich anders denkt als in seinem Sport üblich. Neurungen in der Taktik entstanden in der Vergangenheit vornehmlich in der Abwehrarbeit. Linden setzt mit dem Freiwurf im Angriff an. „Das Gute an so einer Situation ist, dass du gegen eine Abwehr angreifst, die für einen Moment steht“, sagt Linden. Das sorgt für die Chance, ein einfaches Tor zu erzielen. Dennoch beschäftigten sich lange Zeit nur wenige Trainer mit gezielten Freiwurf-Varianten. Für diese Haltung spricht scheinbar die Statistik. Denn anders als beim Freistoß im Fußball ist es beim Handball für die Abwehr ein Vorteil, einen Freiwurf zu provozieren. „Es ist statistisch bewiesen, dass nach dem zweiten legalen Foul einer Abwehr das Zeitspielrisiko immens steigt beziehungsweise die Effektivität des Angriffs sinkt“, sagt Linden. Das heißt: Wenn der Abwehrspieler den Angriff mit einem Foul, das nicht mit Karte oder Zeitstrafe geahndet wird, stoppt, ist er im Vorteil. Die Dynamik des Angriffs ist gebrochen. „Mit einem gezielten Freiwurf kann man gegen diesen Trend arbeiten“, sagt Linden.
Verschiedene Varianten könnten Trainer aller Leistungsklassen in die Arbeit mit dem Team einstreuen. Das Buch sei dafür praxisnah geschrieben und stelle unterschiedlich schwierige Spielzüge vor. Dabei hat Linden Ideen für zentrale Herausforderungen des Handballs. Er widmet sich etwa der Frage, wie sich die angreifende Mannschaft beim Ballverlust vor einem Gegenstoß schützt.
Trainerkollegen und Spielern gefallen die Konzepte des Krefelders. Alexander Herrmann, Spieler des VfL Gummersbach, bestätigte zur Veröffentlichung von Lindens Buch: „Immer mehr Mannschaften in der Bundesliga haben ein System, wenn es um Freiwürfe geht, vor allem bei Zeitspiel.“
Lindens Autorenschaft soll auch der HSG Vorteile bringen. Dort müsse man aus Aktionen des Spiels das Maximale herausholen, sagt Linden. Schließlich ist die individuelle Klasse einzelner Spieler bei Konkurrenten der HSG höher. Also brauchen Lindens Spieler gute Ideen. Mit seinen Freiwurf-Varianten hätten die Krefelder in dieser Saison schon Erfolg gehabt, sagt Linden. Für viele Siege in der zweiten Liga reichte es dennoch nicht. Das entmutigt Linden nicht. Er überlegt weiter, was möglich ist. Das würde er gerne auch wieder in der Praxis testen. Er freut sich, wenn es nach Corona vom Schreibtisch zurück aufs Spielfeld geht. „Ich würde am liebsten morgen wieder in die Halle.“