Am Inrather Berg So rasant ist Krefelds Mountainbike-Strecke

Krefeld · Die Mountainbike-Strecke am Inrather Berg in Krefeld ist nun offiziell in Betrieb. Für Anfänger ist sie ein spektakuläres Erlebnis.

Die Mountainbike-Strecke am Inrather Berg bietet auf 400 Metern eine rasante Abfahrt mit einigen Kurven und Gelegenheiten für spektakuläre Sprünge.

Foto: Dirk Jochmann

Im ersten Moment klingt es, als würde ein Bienenschwarm heran rauschen. Jens Nowicka ist gerade hinter dem tief grünen Blattwerk aufgetaucht. Mit ein paar schnellen Tritten in die Pedale nimmt er noch einmal richtig Fahrt auf. Dann bringt er sein dunkles Mountainbike in eine gerade Position und nutzt schließlich einen Hügel, um einige Meter über die Piste zu springen – die kennt der 42-Jährige wie kein zweiter.

Die Strecke gibt es in „wilder Form“ schon seit etwa 20 Jahren. Seit Juli ist sie offiziell in Betrieb. Der Verein Home Trail pachtet das Gelände von der Stadt, kümmert sich um Beschilderungen und Sicherheit. Nowicka, Vorsitzender des Vereins, wirbelt in einer der vielen Steilkurven Staub auf, bevor es zum letzten Sprung vor dem Ende der Strecke geht. Die ist mit viel Schweiß und Herzblut angelegt, gestaltet und immer wieder ausgebessert worden. Nowicka hat 2017 zusammen mit Freunden Home Trail Krefeld gegründet. Das Ziel war immer „Legalize Inrather“ – wie es auf der Internetseite der Gruppe vor zwei Jahren noch hieß.

Die Strecke ist immer beliebter geworden

Die Vorteile einer legalen Strecke? „Wir können ohne Angst bauen“, sagt Nowicka. Zuvor sei die Szene zwar geduldet worden, aber wenn die Strecke „zu extrem“ geworden sei, sei abgerissen worden. Die Zeiten sind vorbei. Und die nächste Sprunggelegenheit schon in Planung. Dabei wirkt die Piste tatsächlich so, als würde sie seit vielen Jahren zum Inrather Berg gehören. Baumstämme stabilisieren Steilkurven, die Streckenführung schlängelt sich über etwa 400 Meter und 50 Höhenmeter Krefelds größte Erhebung hinunter. Und sie bietet zwei Abfahrten: eine etwas leichtere (blaue Markierungen) mit kleineren Hindernissen und geringerem Gefälle und eine schwerere (rote Markierung) mit größeren Wurzeln, engeren Kurven und steileren Abgängen. Auch für die „Anfänger-Strecke“ werden aber unter anderem „fahrtechnische Grundkenntnisse“, „ständige Aufmerksamkeit“ und „dosiertes Bremsen“ benötigt, heißt es auf einer Info-Tafel an der Strecke. Für Anfänger eignet sich etwa ein Abschnitt auf mittlerer Höhe. Dort kreuzen die Pisten einen Weg, der auch gerne von Joggern genutzt wird. Die Mountainbiker werden mit Warnschildern darauf hingewiesen, dass hier entsprechend langsamer gefahren werden muss. „Locker im Bike stehen, Arme und Beine leicht angewinkelt“, ist ein Tipp Nowickas.

Die Federung des Mountainbikes ist extrem. Die ersten Test-Meter auf dem Waldweg, der die Pisten kreuzt, wirken so, als wäre man auf einem Wasserbett unterwegs. Bei der ersten Wende wird klar: Die Scheibenbremsen sind noch extremer. Die Vorderbremse sollte gemieden werden, ist ein weiterer Tipp des Mountainbikers. Wird die hintere nur einen Augenblick länger gehalten, fängt das Hinterrad an zu rutschen.

Bei einer Testfahrt über einen kurzen, etwas seichteren Abschnitt können auch Anfänger eine Ahnung davon bekommen, was den Reiz der Abfahrten ausmacht. Lässt man sich auf die Streckenführung ein, ist das erste Erfolgserlebnis nicht weit. Ein seichtes Gefälle hinunter geht es auf eine erste Kurve zu. Der Tipp des Profis: Das Rad in die Kurve reindrücken, weniger mit dem Lenker lenken, mehr mittels Gewichtsverlagerung. Hat das irgendwie geklappt, macht das erste Erfolgserlebnis schon Lust auf mehr. Also wird noch ein bisschen weiter oben gestartet. Für Jens Nowicka sei es das Naturerlebnis, das den Reiz ausmacht. Und: „Man muss abschalten, um sich auf das Fahren zu konzentrieren.“ Wenn es die Zeit des Gärtners erlaubt, mache er das täglich. Morgens vor der Arbeit oder danach.

Die Strecke am Inrather Berg ist nicht nur in der Krefelder Szene bekannt. Enthusiasten aus dem Raum Wuppertal oder dem Ruhrgebiet würden ebenfalls anreisen, um sich die Erhebung, die aus Trümmern des Zweiten Weltkriegs besteht, hinunter zu wagen, erklärt Nowicka. Der „Hype“ um das Mountainbikefahren sei in den letzten 20 Jahren nie abgeflacht. Im Gegenteil: Freitags nach der Schule würden an der Strecke schnell rund 30 Jugendliche zusammenkommen. An diesem Nachmittag in den Ferien sind es eine Handvoll. Komplett ausgestattet mit professionell wirkenden Rädern, Protektoren, Helmen mit stylischem Sichtschutz und Trikots sausen der 14 Jahre alte Sven und seine vier Freunde den Inrather Berg hinunter.

Einer seiner Freunde hat eine GoPro-Kamera auf dem Helm befestigt, um die besten Sprünge aufzuzeichnen. Und was für Sprünge: Höher und weiter scheint das Motto der Gruppe zu sein. Dabei trainieren sie noch gar nicht so lange. „Wir machen das seit drei Monaten“, erklärt Sven. Hinter den waghalsig und gleichzeitig gekonnt aussehenden Manövern stecken aber auch schmerzhafte Erfahrungen. Noch sichtbare Verletzungen werden gezeigt. Warum es sie immer wieder zum Inrather Berg zieht, kann der 14-Jährige mit einem Wort auf den Punkt bringen:„Adrenalin“.

Jens Nowicka (l.), Vorsitzender des Vereins Home Trail, kennt die Strecke am Inrather Berg wohl wie kein Zweiter. Er begrüßt oft auch Fahrer aus anderen Städten in Krefeld.

Foto: Dirk Jochmann

Bei Jens Nowicka klingt das etwas bodenständiger. Kein Wunder: Er hat schon vor 20 Jahren angefangen, den Inrather Berg hinunterzufahren. Damals hat er an Rennen in ganz Europa teilgenommen. Der Krefelder Trümmerberg ist zur Trainingsstrecke in der Heimat geworden. Zum „Home Trail“, auf dem auch seine elf Jahre alte Tochter Mountainbike fahren gelernt hat. Der 42-Jährige könne auch ganz gut abschalten, wenn er einfach so über Stock und Stein mit seinem Rad unterwegs ist - ganz ohne Sprünge und Steilkurven. Aber: Die Strecke am Inrather Berg ist sein Baby. Ein Baby, dass offiziell erwachsen geworden ist.