Krefeld: Polizei muss die Fahndung nach dem Säugling unterbrechen

Die Staatsanwaltschaft leitet kein Ermittlungsverfahren gegen die Eltern des wenige Tage alten Jungen ein. Allerdings könnte die Suche nach der derzeitigen Unterbrechung aufrechterhalten werden.

Foto: Knappe

Es gibt ein Lebenszeichen der Eltern, die am vergangenen Donnerstag mit ihrem Baby aus dem Helios-Klinikum geflüchtet sind. Nach Angaben der Polizei gibt es Hinweise darauf, dass sich alle drei in der Heimat der Eltern, in Polen, aufhalten. Nach WZ-Informationen sollen polnische Behörden die Familie bereits zu Gesicht bekommen haben. Dem Kind soll es den Umständen entsprechend gut gehen. Bei der Polizei in Krefeld will man das nicht bestätigen. „Wir können nichts zum Gesundheitszustand des Kindes sagen“, erklärt Polizeisprecherin Karin Kretzer.

Die Fahndung nach der 18-jährigen Mutter, ihrem 24-jährigen Freund und dem wenige Tage alten Säugling wurde indes unterbrochen. Der Grund: Die Entscheidung des Jugendamtes, das Baby aufgrund einer drohenden Kindeswohlgefährdung in Obhut zu nehmen, muss erst von einem Familiengericht bestätigt werden. Erst mit einem positiven Gerichtsbeschluss werden „Teile der elterlichen Sorge“ und damit das Aufenthaltsbestimmungsrecht auch formal auf das Jugendamt übertragen.

Bis zu dieser Entscheidung wird die bundesweite Fahndung nach Eltern und Kind laut Karin Kretzer unterbrochen. „Wir rechnen noch am Montag mit einer richterlichen Entscheidung“, so die Polizeisprecherin. Auch beim Jugendamt hoffte man gestern noch auf Nachricht vom Gericht.

Entschieden hat hingegen bereits die Staatsanwaltschaft Krefeld: Nach eingehender Prüfung des Sachverhalts bewertet die Ermittlungsbehörde die Flucht der Eltern mit ihrem Kind aus dem Krankenhaus nicht als strafrechtlich relevant. „Unserer Ansicht nach liegt hier kein Sorgerechtsentzug gemäß dem Paragraf 235 des Strafgesetzbuches vor“, berichtet Oberstaatsanwalt Axel Stahl. Demnach sei die mündliche Anordnung des Jugendamtes an die Eltern, den Säugling in Obhut zu nehmen, zwar ein verwaltungsrechtlich, aber nicht strafrechtlich bindender Vorgang. Der dazu notwendige Gerichtsbeschluss hätte zum Zeitpunkt des Gesprächs zwischen Jugendamt und den Eltern nicht vorgelegen. Demnach treffe der Absatz zwei des Paragrafen 235 nicht zu, in dem heißt es: „Ebenso wird bestraft, wer ein Kind den Eltern, einem Elternteil, dem Vormund oder dem Pfleger entzieht, um es ins Ausland zu bringen oder im Ausland vorenthält, nachdem es dorthin verbracht worden ist oder es sich dorthin begeben hat.“

Trotz der Entscheidung der Staatsanwaltschaft könnte die Fahndung nach der jungen Familie nach der derzeitigen Unterbrechung trotzdem aufrechterhalten werden. Bestätigen die Richter die Annahme des Jugendamtes, dass die Inobhutnahme des Säuglings gerechtfertigt ist und möglicherweise eine Gefährdung des Kindes vorliegt, wird aus Gründen der Gefahrenabwehr weiter nach Eltern und Baby gesucht — obwohl Mutter und Vater strafrechtlich keine Konsequenzen drohen.

Die Gemengelage in diesem Fall ist so kompliziert, dass die Beteiligten von Polizei, Stadt und Krankenhaus am vergangenen Freitag, dem Tag nach dem Verschwinden der Familie, mehr als zwei Stunden benötigten, um sich gegenseitig auf den aktuellen Stand der Dinge zu bringen.

Noch komplizierter wird der Fall durch die Tatsache, dass die Eltern des Kindes polnische Staatsangehörige sind und sich zudem offenbar wieder in ihrem Heimatland aufhalten.