Wärmewende in Krefeld „Steigen alle auf Wärmepumpen um, bricht das Stromnetz zusammen“
Krefeld · Die Ampel-Regierung in Berlin hat zuletzt heftig über das Gebäudeenergiegesetz diskutiert, war mitunter auch von Mieter- und Eigentümerverbänden für den Entwurf kritisiert worden, der ein Verbot von Gas- und Ölheizungen bei Neubauten vorsieht.
Nur ein Thema von vielen, das auch die Versorger vor Ort umtreibt. SWK-Vorstandssprecher Carsten Liedtke fordert deshalb, Klimapolitik mehr an Realität und Machbarkeit, dafür weniger an Ideologie auszurichten. Er benennt, welche Verantwortung Energieversorger in der Energie- und Wärmewende tragen, fordert Technologieoffenheit in der kommunalen Wärmeplanung und ordnet Krefelds Energieträger von morgen ein.
Was muss geschehen, damit der Wandel tatsächlich gelingt?
„Wir müssen das gesamte System einmal komplett umkrempeln. Es sind Infrastrukturinvestitionen erforderlich, in einer Dimension, die man sich so kaum vorstellen kann“, sagt Liedtke. Dies geschehe in ganz Deutschland parallel, weshalb es nicht von heute auf morgen funktioniere. „Wir reden hier nicht über Krefeld, das klimaneutral werden möchte, sondern das ganze Land, das sind tausende von Städten und Gemeinden und damit ist es ein gewaltiges Problem. Das ist eine wahrhaftige Jahrhundertaufgabe, die wir uns vorgenommen haben, so hat es uns die Politik zumindest in die Bücher geschrieben“, sagt Liedtke. Dies gelte es in kürzester Zeit zu realisieren.
Was bedeutet das
für die Stadt Krefeld?
72 Prozent der Gebäude in Krefeld haben einen Gasanschluss. Hinzu kommen 14 Prozent Ölheizungen, der Rest sind Wärmepumpen und Nachtspeicherheizungen, die rund zwölf Prozent ausmachen. Fernwärme mache in Krefeld nur drei Prozent aus. „Das ist ungefähr der Mix – und den krempeln wir jetzt einmal von links nach rechts um“, sagt Liedtke. Denn das, was heute den kleinsten Anteil hat, soll in Zukunft den größten Anteil haben. Dafür sei es notwendig, die dahinterliegenden Netze und Erzeugungsanlagen neu zu konzipieren und aufzubauen. „Wir reden hier von Investitionskosten von mehr als einer Milliarde Euro. Dabei ist aber noch gar nicht klar, wie wir und danach unsere Kunden diese Aufwendungen überhaupt bezahlen sollen“, betont Liedtke.
Können Wärmepumpen für Krefeld die Lösung sein?
Die Stadtwerke Krefeld befinden sich hierzu in intensiven Gesprächen mit der Stadt. Erörtert werden Fragen, wie etwa eine kommunale Wärmeplanung auf Basis der vorhandenen Infrastruktur und mit den in Krefeld gegebenen Möglichkeiten von Entwicklung oder Neubau mittelfristig aussehen kann. „Dabei müssen wir uns technologieoffen und ideologiefrei an der technischen Machbarkeit orientieren“, sagt Liedtke. Das gelte auch für zumutbare Kosten für die kommunalen Unternehmen und insbesondere für die Bürger. „Wenn wir den Argumenten aus dem Wirtschaftsministerium folgen, wird die Wärmepumpe künftig alles lösen. Wenn sie die Argumente derer hören, die alles umsetzen sollen: Wird sie nicht, kann sie auch gar nicht, aus mehreren Gründen“, so Liedtke. Denn jedes Gebäude müsse individuell geprüft werden, ob es überhaupt bereit ist für den Einsatz einer Wärmepumpe. Außerdem müsse geprüft werden, ob das vorhandene Stromnetz überhaupt eine zusätzliche Wärmepumpe verträgt. „Wir benötigen eine Vorgehensweise, die nicht alles über einen Kamm schert. Nicht alles eignet sich für eine Wärmepumpe oder kann entsprechend hergerichtet werden. Das würde die Netzinfrastruktur gar nicht leisten können“, sagt Liedtke.
Was passiert, wenn alle auf eine Wärmepumpe umsteigen?
„Dann bricht das Stromnetz zusammen“, lautet die Prognose der SWK. Innerhalb der nächsten acht Monate soll das Netz in Krefeld komplett digitalisiert werden. Dann können die Stadtwerke in Echtzeit sehen, wie hoch die jeweilige Netzlast an den 1200 Stationen ist. „Durch unsere Simulationen können wir jetzt schon sagen, ab 30 Prozent Durchdringung durch Wärmepumpen, je nach Baugebiet, geht das Stromnetz in die Knie.“ Das liege daran, dass Wärmepumpen in der Regel bei Erreichen bestimmter Temperaturen anspringen und gleichzeitig jede Station rein rechnerisch mit zwei Kilowatt je Haushalt abgesichert ist. „Das heißt, wenn nun gleichzeitig eine Vielzahl von Wärmepumpen in Betrieb geht, die eine Leistung von etwa drei bis sechs Kilowatt je Anlage aufweisen, kommt unser Netz sehr schnell an seine Leistungsgrenze – übrigens in jeder Bebauungssituation in Krefeld“, skizziert Liedtke. Zuerst trifft es die Gebiete mit dichter Bebauung und älteren Häusern.
Wäre eine Erneuerung des Stromnetzes eine Lösung?
Ja, aber nur eine langfristige. Die Stadtwerke rechnen damit, dass sie ihr Netz duplizieren müssten und eine Menge Geld investieren: 700 Millionen Euro nur für das Netz, 50 Millionen für neue Transformatoren. „Das würde ungefähr 20 Jahre dauern. Und das sind die heutigen Baukosten in einer Situation, in der wir in Krefeld dieses Problem zu lösen haben. Das wird aber ein flächendeckendes Problem in ganz Deutschland und so viel Zeit haben wir nicht“, weiß Liedtke. Er plädiert deshalb dafür, Wärmepumpen nur punktuell einzusetzen. Nämlich da, wo es keine andere Lösung gibt.
Welche anderen Lösungen gibt es oder muss es geben?
Dort, wo sie angeboten werden kann, ist Fernwärme eine Lösung. Der Ausbau des Netzes ist aber der teuerste Weg. „Gerade bei der Fernwärme benötigen wir ein möglichst kompaktes Netz, so kompakt wie es nur irgendwie geht.“ Dafür werden Anschlussnehmer zusätzlich angeschlossen, die sich besonders nah an der Leitung finden. Allerdings zahlt jeder seinen Anschluss selbst. Der Preis ist hoch. Bei großen Hochdruckleitungen durch die Straßen liegt der Preis pro Meter zwischen 3000 und 5000 Euro. Innerhalb der Verteilnetze sind es noch 1500 bis 2000 Euro je Meter, die dann zu den einzelnen Gebäuden führen. „Das bedeutet, wenn ich 50 Meter habe, dann kommen ganz schnell 150 000 Euro zusammen. Der Wärmetauscher ist da noch gar nicht eingepreist“, sagt Liedtke. Er sieht eine noch bessere Lösung im Wasserstoff. Für den Transport könnte das heutige Gasnetz genutzt werden. Das ist, wenn es auf Polyethylen oder Stahl basiert, zu 100 Prozent H2-ready. „In Krefeld ist das der Fall und es hat eine so große Ausdehnung, dass wir fast jedes Haus erreichen. Wir als Infrastrukturbetreiber sollten dreimal überlegen, bevor wir so etwas stilllegen und rausreißen“, mahnt Liedtke. Voraussetzung für den Gebrauch von Wasserstoff zur Wärmeversorgung ist aber, dass es auch entsprechende Geräte gibt, die von den Herstellern noch im entsprechenden Umfang auf den Markt gebracht werden müssen. Red