„Die Heimat“ Von einem „Fischelner Mordfall“ bis zur Kunst am Seidenweberhaus
Krefeld · Der Verein für Heimatkunde stellt sein neues Jahrbuch vor, das ab Samstag im Buchhandel erhältlich ist.
Die neue Ausgabe des Krefelder Jahrbuchs „Die Heimat“ liegt vor. Das Titelbild ziert diesmal das kosmische Motiv der Silk City Gallery auf der süd-westlichen Außenwand des Seidenweberhauses – und schlägt somit einen Bogen zwischen Krefelder Geschichte und Zukunftsperspektiven der Krefelder Innenstadt. Die neue Schriftleiterin Julia Obladen-Kauder hatte das Motiv innerhalb des Vereins zur Diskussion gestellt. Die Meinung dazu reichte von Entrüstung bis zur Zustimmung. Ebenso polarisiert der beschlossene Abriss des Seidenweberhauses und die Neugestaltung der Umgebung. Diesem Thema wie auch den anderen 21 Beiträgen ist gemein, dass sich die Autoren inhaltlich und gefühlsmäßig mit dem ebenso kontrovers zu diskutierenden Begriff Heimat befassen, neugierig darauf machen und als Verein versuchen, Position zu aktuellen Themen zu beziehen, wie der Zukunft der Niepkuhlen.
Wie ein Lexikon der Stadtgeschichte aus 100 Jahren
212 Seiten stark ist 93. Ausgabe geworden, die am Donnerstagabend traditionell vom Vorsitzenden des Vereins für Heimatkunde und der Schriftleitung bei der Jahreshauptversammlung den Mitgliedern vorgestellt wird. 28 Autoren umspannen in ihren Beiträgen die Themenbereiche Stadtentwicklung und Baugeschichte, Geschichte und Archäologie, Kunst, Natur und Landschaft sowie Mundart. Der Jahresrückblick von Dirk Senger, in dieser Ausgabe von August 2021 bis Oktober 2022, hält wichtige Stationen, Ereignisse und Personalien für die Nachwelt fest. „Es ist wie ein Lexikon der Stadtgeschichte“, in das es sich laut Schram für jedes Alter lohne, reinzuschauen. Zumal es im Mitgliederbereich auf der Internetseite des Vereins digital Zugriff gibt auf 100 Jahre Krefelder „Heimat“-Geschichte.
„Wir sind bemüht, in dem Buch die Vielfalt Krefelds zu präsentieren“, sagt Julia Obladen-Kauder. Fünf Themen aus Uerdingen, drei aus Hüls, zwei aus Linn, einer aus Fischeln, einer aus Verberg/Traar, zwei Artikel über das Leben von Juden in Krefeld, einer über die erste Spielzeit 1825 im neu errichteten Rump’schen Theater sind in der neuen „Heimat“ nachzulesen. Darin wird deutlich, wie wichtig Theater und Oper schon vor 200 Jahren für die Krefelder waren.
Krefelder Geschichten authentisch und spannend erzählt
Geeignet als Sujet für ein Theaterstück ist wohl auch „Ein Fischelner Mordfall im Jahr 1723“, der so viel Wirrungen und Irrungen, heimliche Liebe und Rivalität unter Knechten verschiedener Höfe beinhaltet, dass es sich zum besseren Verständnis lohnt, den Artikel gleich zweimal zu lesen.
Von Verbrechen handelt auch der Artikel „Die Windmanns. Eine ostjüdische Familiengeschichte aus Duisburg-Krefeld“. Erzählt wird das Schicksal von Ludwig Windmann, der als „Geschäftsführer russischer Staatsangehörigkeit“ der im Pogromjahr 1905 aus Russland nach Deutschland flieht und sich am 14. September 1906 in Krefeld anmeldet. Ganz in der Nähe, in Duisburg, wird er am 10. November 1938 in Duisburg im Laufe des Novemberpogrom von SA-Uniformierten ermordet. Was die anderen seiner Familie durchlebt haben, ist in der „Heimat“ nachzulesen. Ebenso wie die Erinnerungen des Krefelders Michael Kasajanow an seine Zeit als „Fremdarbeiter“ in Krefeld während des Zweiten Weltkrieges.
Mit Geschichte ganz anderer Natur befasst sich ein aktueller Artikel über die Niepkuhlen in Krefeld. Verfasst hat ihn Theo Malschützky, langjähriger Mitarbeiter der Unteren Wasser- und der Unteren Naturschutzbehörde. Spannend, gerade auch im Hinblick auf eine mögliche Rettung der Niepkuhlen.
Die Ideen zu den verschiedenen Beiträgen stammen von den Autoren selbst, wie auch von Julia Obladen-Kauder. „Wenn ich interessante Zeitungsberichte lese, wie beispielsweise über das Firmenjubiläum von Alberdingk Boley oder die Sammlung präkolumbischer Textilien im Deutschen Textilmuseum, greifen wir das inhaltlich auf“, sagt die Schriftleiterin. Ab Samstag ist die neue Heimat im Buchhandel erhältlich.