Junges Krefeld Kaufhaus, Kino, Bankfiliale – Warum manche Dinge in der Stadt nicht fehlen dürfen

Es gibt einige Gründe, den Krefelder Hauptbahnhof scheußlich zu finden. Unser Autor erklärt, warum er trotzdem ein ganz besonderer Ort ist.

Corona Krise, Einkaufen, Handel, Neumarkt / Hochstraße Krefeld

Foto: Andreas Bischof

Guten Morgen,

offenkundig ist die Entwicklung unausweichlich: Ich werde älter. Wenn ich Ihnen nun verrate, dass ich 23 Jahre alt bin, werden sie womöglich stutzen. Die meisten von Ihnen könnten meine Eltern oder Großeltern sein. Sie erinnern sich an eine Zeit, in der Männer Bundeskanzlerin waren. Sie haben also Erfahrung mit dem Älterwerden. Aber für einen Jungspund wie mich sollte das noch kein Thema sein. Ist es aber seit kurzem.

Nils Peter, Daniel Bayen, Nikolai Trabert (v.l.) in ihrem  Second-Hand-Laden an der Lohstraße 118.

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Denn zum ersten Mal im Leben merke ich, dass es eine noch jüngere Generation gibt. Wenn ich in meinen ersten Jahren bei der Zeitung Interviews an Schulen geführt habe, musste ich erstmal erklären, dass ich als Journalist da bin. Mittlerweile ist das „Sie“ gesetzt. Die angesagten sozialen Medien im Internet sind inzwischen noch inhaltsleerer als jene, mit denen ich aufgewachsen bin. Und die ersten Fußballidole sind mittlerweile Trainer oder auf anderen Abwegen.

Zum Älterwerden gehören also Veränderungen. Und noch etwas gehört offenbar dazu: Eine gewisse Erleichterung, wenn Veränderungen ausbleiben. Das stelle ich vor allem fest, wenn Dinge in der Stadt so bleiben, wie ich sie immer kannte. Keine Frage, Wandel ist für eine Stadt wie Krefeld notwendig. Doch manche Konstanten möchte ich nicht missen. Den Kaufhof zum Beispiel. Die Sorgen um das Warenhaus sind zur bedauernswerten Routine geworden. In regelmäßigen Abständen kommen Warenhaus-Manager auf die Idee, dass weniger Warenhäuser besser sind für einen Warenhauskonzern. Der Krefelder Standort soll bislang nicht dicht gemacht werden – zum Glück. Denn in eine Stadt gehört ein Kaufhaus.

Mir gefällt das Konzept mit Koffern im Eingangsbereich, Haushaltswaren im Keller und angeschlossener Schnitzel-Verköstigung im Obergeschoss – auch wenn es, zugegebenermaßen, völlig aus der Zeit gefallen ist. Dafür kann ich im Warenhaus in Ruhe einkaufen. Da gibt es alle relevanten Marken und trotzdem nicht die Nachteile jüngerer Modegeschäfte, die akustisch eher an eine Großraumdisco erinnern.

Außerdem gibt es im Kaufhaus immer diese eine Jeans. Seit Jahren liegt das Modell im selben Regal und wird offenkundig kontinuierlich nachgeliefert. Es gibt schließlich auch einen treuen Kunden: mich. Wenn also wieder ein Jeanskauf ansteht, laufe ich schnurstracks zu eben jenem Regal. Das finden Sie langweilig? Es hat Vorteile. Es spart Zeit und die Tortur für den jungen Herrn, der Sport gerne als Beobachter verfolgt. Der stundenlange Anproben-Kampf mit Slim-Fit-, Skinny-Fit- und Fit-Fit-Modellen ist passé. Negativ aufgefallen ist die Jeans-Kontinuität im Freundes- und Kollegenkreis auch noch nicht. Verständlich. Schließlich gibt es eine helle und eine dunkle Variante der Hose. Die verbreitete Frage ist daher vermutlich eher: Wow, wo bekommt er immer diese geschmackvollen Modelle her?

Nicht nur das Kaufhaus wird sich vielleicht irgendwann aus dem Stadtbild verabschieden. Auch bei der Sparkasse sinkt die Zahl der Filialen. Digital wird das Geschäft. Die Sparkasse mit Niederlassung im Stadtteil verliert an Bedeutung. Das ist schade. Der Besuch in der Filiale hat immer noch etwas herrlich Formelles. Dauer-Duzen und dreiviertel Hosen als anerkannte Büro-Kleidung haben vor der Sparkasse Halt gemacht. Wie ein Raum ohne Zeit kommt sie so daher. Ich gehe nach wie vor gerne hin – auch wenn es deutlich bequemer ginge. Online-Banking lautet das Stichwort. Freilich spart das Zeit. Ich überweise dennoch in der Filiale und entschleunige. Mein Mitbewohner verfolgt diese regelmäßige Expedition mit einer Mischung aus Kopfschütteln, Fassungslosigkeit und Mitleid. „Wenn ich das sehe, ist da nur Leere“, sagt er. Mich stört der kurze Abstecher in die Filiale nicht. Und noch ein exklusiver Tipp vom Profi: Wer sonntags überweisen geht, hat am Automaten keine Schlange vor sich.

Was zeigt das Sparkassen-Beispiel? Es ist nicht rational, wenn wir auf dem Alten beharren. Veränderungen bringen oft Vorteile. So ist es beim Online-Banking. Und so ist es beispielsweise auch bei den Straßenbahnen in Krefeld. Vor einigen Jahren haben die Stadtwerke begonnen, ihre Flotte zu erneuern. Moderne Niederflurbahnen, die etwa Senioren den Einstieg erleichtern, sind im Einsatz. Das ist richtig. Dennoch vermisse ich die alten Bahnen. Die waren schlicht kultiger. Die rot-weißen Wagen klapperten bei jeder Bewegung. Von innen sahen sie aus wie Tante Ernas Wohnzimmer. Heute muten die Bahnen deutlich steriler an. Ihr Charme liegt irgendwo zwischen Elektro-Tretroller und SUV.

Veränderungen zeichnen sich auch bei den Kinos ab. Die Corona-Pandemie trifft die Branche hart. Werden alle Kinos bleiben? Ich hoffe zumindest, dass Krefeld sein großes noch lange behält. Klar, so wahnsinnig modern ist auch dieses Angebot nicht. Mit Streaming-Diensten schauen Sie für ein paar Euro im Monat einen Wunschfilm nach dem nächsten auf dem heimischen Sofa. Für den netten Abend im Kino mit Getränk und Popcorn ist rasch ein Kleinkredit fällig.

Dann ist da noch die elendige Werbung. Erst kommen die Autos, für die nach dem Kinobesuch ohnehin kein Geld mehr da ist. Dann folgen alle Eiscreme-Produkte, die es so gibt. Die ganz Ausgefuchsten im Freundeskreis gehen daher gar nicht mehr zum angegebenen Vorführungsbeginn ins Kino – diese Adrenalin-Junkies. Dieses Risiko würde ich nie eingehen. Lieber lasse ich mir noch sieben Autos zeigen, ehe ich eine Sekunde des Films verpasse. Trotz dieser Ärgernisse will ich das Kino nicht missen. Das Vergnügen mit riesiger Leinwand und bombastischem Ton können selbst gewiefte Heimkino-Experten nicht herstellen. Zudem ist das Kino ein Ort schöner Erinnerungen und Erlebnisse. Seien es Freunde, Freundin oder Eltern – für einen Abend vor der Leinwand sind letztlich alle zu haben.

Wahrscheinlich wird nicht alles, was für mich zur Stadt gehört, ewig bleiben. Und vermutlich gehört es auch zum Älterwerden, dass man mit der Entwicklung seiner Umwelt lebt. Denn eins möchte ich noch weniger als Veränderungen liebgewonnener Routinen: Niemals möchte ich Teil der „Früher war alles besser“-Fraktion werden.