Kunst Zahnbürste erinnert an eine Sonnenuhr

Krefeld · Der Skulpturengarten um die Villen Haus Lange und Haus Esters ist auch in Corona-Zeiten bei ansonsten geschlossenen Kultureinrichtungen zugänglich.

Im Skulpturengarten von Haus Lange und Haus Esters präsentiert der Kunsthistoriker Thomas Janzen die kubischen Baukörper von Richard Serra.

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Besucher, die noch nie die Villen Haus Lange und Haus Esters besichtigt haben, wissen durch einen einzigen Kunstgegenstand im Vorgarten und auf den ersten Blick, dass sie angekommen sind: Es ist da, wo die Zahnbürste steht. Das unübersehbare, sechs Meter hohe abstrakte Werk des gebürtigen Schweden Claes Oldenburg ist das Wahrzeichen der Bauhaus-Museen an der Wilhelmshofallee.

Es gibt aber noch viel mehr Kunst zu sehen, hinten im Park, sprich im Skulpturengarten, der Häuser. Dieses Freiluft-Museum ist auch in Corona-Zeiten und bei ansonsten geschlossenen Kultureinrichtungen frei zugänglich.

Das Flanieren über bezaubernde grüne Rasenflächen mit „Intarsien“ aus Künstlerhand und das Genießen der Kunst in der Natur lassen die Menschen durchatmen in schwierigen Zeiten. Einigen Werken gilt der genauere Blick.

Die Zahnbürste Zurück zum Wahrzeichen, zur blauen Zahnbürste mit rosa Paste, beim Start des Rundgangs gemeinsam mit Kunsthistoriker Thomas Janzen von den Krefelder Museen. „Oldenburg ist ein Künstler, eine der Schlüsselfiguren der Pop Art, und liebte es, Alltagsgegenstände wie Löffel, Wäscheklammern oder Nahrungsmittel aus ihrem gewöhnlichen Umfeld isoliert und humorvoll monumentalisiert darzustellen“, erklärt Janzen und schmunzelt. „Erst der Titel ,Ausschnitt einer Zahnbürste mit Paste im Becher auf einem Waschtisch’ erklärt dem Betrachter, was er denn sieht. Danach erkennt er die Details – vor allem von der Seite.“

Hinzu kommt, dass sich die Zahnbürste – zu einer einfachen, nahezu abstrakten Form reduziert – je nach Betrachter-Position verändert und mitunter auch an eine Sonnenuhr erinnert. „Genau von hinten gesehen ist sie nur ein schmales Stahlband im Zeichen des Konstruktivismus.“

Bronzefrau II Der Weg führt weiter, „nur“ in den tiefer gelegten Wirtschaftshof von Haus Esters. Für die kauernde „Bronzefrau II“ von Thomas Schütte ist er ein großes und in seiner Bauhaus-Reduktion schlichtes Geviert, das den Blick direkt lenkt auf die Figur mit dem multiplen Wesen in der Mitte. Janzen: „Es ist kein repräsentativer, aber spannender Bereich. Die Frau ist in ihrer Präsentation zum Haus hin ausgerichtet, auf einem tonnenschweren Stahltisch, wie auf einer Bühne.“

Die Bronzefrau ist eine menschliche Figur mit expressiven, ins Amorphe gehenden Zügen. „Das wallende Haar ist zu erkennen, auch Po und Schenkel, aber dann sind es wieder entenartige Füße, ihre anderen rüsselartigen Formen und beispielsweise eine nach außen geschobene Schulter, die den Betrachter fesseln. Die voluminösen Schwünge und Rundungen von Schüttes kauernder Gestalt schwanken zwischen sinnlicher Verführung und Unterwerfung ebenso wie zwischen Vertrautheit und Fremdheit.“

Zur Erinnerung: Der Düsseldorfer Künstler Thomas Schütte hat den Pavillon zum Bauhaus-Jubiläum wenige Meter weiter im Kaiserpark geschaffen. Er war den Krefeldern also längst bekannt; die Bronze kam 2000 nach Krefeld und gehört zu seiner Serie von großen Frauenfiguren.

Hommage an Mies „Erhöhungen für Mies“ nennt Richard Serra, einer der bedeutendsten Stahlbildhauer aus New York, sein Werk, seine Hommage an Star-Architekt Ludwig Mies van der Rohe. Serra setzte sein Werk in Bezug zum kubischen Baukörper insgesamt.

Die zwei massiven, geschmiedeten Stahlblöcke – so schwer wie sonst nichts – richtet er in einer direkten Linie zum Haus aus. Janzen: „Die Spannung liegt in der Horizontalen, ist als Energie in die Kuben gepresst, in gestalterischer Anlehnung an den Menschen und mittlerweile schön verwittert und haltbar auf ewig.“

Rasenkreis Der Fuß verharrt unwillkürlich vor dem grünen Rund mit den Gänseblümchen. Die Maße des Rasenkreises sind: 13,5 Meter im Durchschnitt außen und 10,30 innen. Die Ränder sind 25 Zentimeter hoch.

Richard Long verlegt sein Atelier in die Natur, schafft sein Werk in die Rasenfläche hinein wie eine Bodenwelle. „Es ist Land Art für Aussteiger, nicht für Museen“, erklärt Janzen. „Hier, nicht im Haus, sondern im Garten von Haus Lange, findet 1969 seine erste museale Ausstellung statt.“

Der Skulpturengarten ist in der neuen Broschüre zu sehen unter: