Krefelder Lehrer schreibt ein Buch Lehrer werden? „Nicht noch einmal!“

Krefeld · Rainer Löwe unterrichtete an der Freiherr-vom-Stein-Realschule. Nun schreibt er in einem Buch, wie sich der schöne Beruf änderte

Rainer Löwe war Realschullehrer an der Freiherr-vom-Stein Realschule und hat im Ruhestand ein Buch geschrieben.

Foto: Bischof/Andreas Bischof

Die Anekdote sei ein Paradoxon, meint Rainer Löwe. Es war im Jahr 2018. Der heute 68-Jährige hätte zu den Halbjahreszeugnissen seine Arbeit an der Krefelder Freiherr-vom-Stein-Realschule beenden können – endlich Ruhestand. Darauf habe er sich zwei Jahre lang gefreut, sagt Löwe. Trotzdem hängte der Lehrer für Englisch, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften sowie Politik noch ein halbes Jahr dran. Für seine Schüler, für seine Klasse – damit die Jugendlichen nicht für ein halbes Jahr ein neues Gesicht am Pult bekommen. Löwe handelte aus pädagogischer Überzeugung und war am letzten Tag doch froh, dass es vorbei ist.

Löwes Anekdote zeigt den Zwiespalt, den der Ex-Lehrer mit Blick auf seinen Beruf empfindet. Ein Zwiespalt, über den der Mann lange referieren kann. Und ein Zwiespalt, den er nun auf 100 Seiten in seinem Buch „Lehrer werden!?“ abbildet. Fragezeichen und Ausrufezeichen im Titel zeigen bereits Löwes Wechselspiel aus Zweifeln und Überzeugung.

Im Buch beschreibt Löwe, wie er den Lehreralltag erlebt hat und was er aus Gesprächen mit Kollegen mitgenommen hat. Löwe zeichnet ein düsteres Bild. Er habe im Kollegium eine zunehmende Unzufriedenheit mit der Arbeitsbelastung erlebt. Das sei sicher ein Hauptgrund für den Lehrermangel im Land. Löwes Mängelliste ist lang. Immer mehr Dokumentationspflichten abseits der pädagogischen Arbeit stören ihn. Hinzu kommt die mangelhafte Ausstattung vieler Schulen.

Zudem sind die Klassengrößen aus Löwes Sicht ein Problem: „Kleine Lerngruppen sind viel effizienter zu unterrichten als 28 bis 32 Schüler.“ Zwölf bis 16 Schüler hätte er gerne. Bei großen Gruppen könne man sich als Lehrer nicht ausreichend um alle kümmern. Die Schüler würden dann häufiger stören. Der Lehrer sei mehr mit Ermahnen beschäftigt. Hinzu kämen die Schüler mit Migrationshintergrund. „Das ist nichts Schlimmes.“ Dennoch hätten die Schüler unterschiedliche Bedarfe. Darauf einzugehen, sei in großen Klassen schwierig.

Und dann sind da noch die Klassenfahrten. Wer meine, dass das für den Lehrer vergnügungssteuerpflichtig sei, liege falsch, sagt Löwe. Man schlafe kaum, zu viel Ärger gibt es. „Klar, benimmt sich mal einer daneben.“ Das habe es immer gegeben. „Aber es ist schlimmer geworden.“ Woran das liegt, kann Löwe nicht so recht sagen. Belastend empfindet er die Entwicklungen in jedem Fall.

Würde Löwe heute noch mal Lehrer werden? „Nein“, sagt er. „Nicht unter diesen Umständen.“ Dennoch bereue er seine Entscheidung nicht.

Wenn Löwe erzählt, bekommt der Zuhörer Zweifel an dessen „Nein“. So emotional spricht er über sein Thema. Er kann seine Erfahrungen nicht einfach hinter sich lassen. Unbedingt wollte er das Buch schreiben. Notizen machte er schon in seinen abschließenden Monaten im Lehrerzimmer. Geld sei nicht sein Antrieb, meint Löwe. „Von den Einnahmen werde ich mir wohl kein Auto kaufen können.“

Löwe möchte potenzielle Lehrer erreichen. Genau überlegen solle man sich die Berufswahl. Interessenten, die von einem sicheren Job und langen Ferien träumen, hält er für ungeeignet. Löwe ermutigt jene, denen die Pädagogik am Herzen liegt. „Es ist ja nach wie vor ein schöner Beruf“, sagt Löwe – der Mann im Zwiespalt.

Der Appell seines Buchs gilt auch der Politik. „Auch, wenn Geld fehlt: Man muss mehr in Bildung investieren. Ohne Bildung ist alles nichts.“ Sie könne noch mehr Populismus in der Gesellschaft eindämmen. Und sie sei die entscheidende Ressource des Wirtschaftsstandorts Deutschland – eines Landes ohne Bodenschätze.

Löwe will mit seinem Buch auch einen Austausch schaffen. Seine E-Mail-Adresse hat er darin notiert und erste Rückmeldungen bekommen. Unter anderem von einer Seminarleiterin für angehende Lehrer aus Hannover. Dort wird Löwes Werk nun Literaturtipp für die Neulinge.