Teilnahme an einem der härtesten Rennen der Welt Krefelder sucht das Abenteuer in der Wildnis
Krefeld · Der Krefelder Sebastian Breuer saß beim Atlas Mountain Race mehr als 100 Stunden im Fahrradsattel. Ein beschwerlicher Weg für den Abenteuer-Athleten, der gegen sich selbst, die Natur und Konkurrenten kämpfen musste. Ob es sich ausgezahlt hat?
Der Blick ist nach vorne gerichtet. Der volle Fokus liegt auf dem staubigen Untergrund Marokkos. Die Felsen des Atlas-Gebirges sind in der Abenddämmerung, wenn überhaupt, nur vage Orientierungspunkte auf der mehr als 1000 Kilometer langen Strecke, die vor Sebastian Breuer liegt. Das Abenteuer beginnt. Und damit die große Herausforderung. Der 33-jährige Krefelder steht mit 250 weiteren Sportlern am Start eines der härtesten Radsport-Wettbewerbe der Welt – dem Atlas Mountain Race.
Für die nächsten gut 103 Stunden ist Breuer auf sich allein gestellt. Hilfe von außen ist nicht erlaubt. Heißt: Der Abenteuer-Athlet muss sich selbst um ausreichend Trinken kümmern – und um Nahrung. Der Kalorienverbrauch ist enorm. Vor allem nachts, wenn die Temperatur auf bis zu minus acht Grad Celsius sinkt. An Schlaf denkt Breuer selten. Die erste Nacht sitzt er durchgängig im Sattel seines Rose-Mountainbikes, in der zweiten schläft er zweieinhalb Stunden, in der dritten gerade einmal 20 Minuten.
Kampf gegen sich selbst, die Natur und Konkurrenten
Eingepackt in einen Daunen-Schlafsack, umhüllt von Rettungsdecken. Mitten in der Wildnis. Ist das nicht unheimlich? „Eine Frage, die ich oft gestellt bekomme“, sagt Breuer. Er fühlt sich allein und unter freiem Himmel deutlich wohler, als in der Großstadt, wo deutlich mehr Publikumsverkehr ist, er auch um seine Ausrüstung bangen müsste. „Ein Tier greift mich eher nicht an“, ist sich der 33-Jährige sicher. Lange Zeit zum Ausruhen hat er ohnehin nicht. Ein kurzer Blick auf das Trackingsystem, sofern eine Internetverbindung vorhanden ist: Wie ist Breuer platziert? Wo sind die Konkurrenten? Viel Zeit für die Gegner-Analyse bleibt nicht. Schnell geht es wieder in den Sattel, die nächsten Kilometer stehen an.
Breuer will das Rennen gewinnen. Der 33-Jährige hat sich über Wochen darauf vorbereitet. In der letzten vor dem Start in Marokko, auch um „jeglicher Form von Magen-Darm-Problemen“ aus dem Weg zu gehen. „Das Angebot an Essen ist zwar riesengroß“, sagt der Krefelder, „doch muss man aufpassen, was man isst.“ Auf Fleisch verzichtet er während des Rennens durch Marokko konsequent, weil die Haltung nicht mit der in Deutschland vergleichbar ist und auch aus hygienischen Gründen. Für die Dauer des Rennens zieht er hochkalorische Speisen und Snacks vor. „Cola, Snickers und Co. – sicherlich nicht die von mir gewünschte Ernährungsweise“, sagt der Athlet. Aber die Produkte sind effizient. Und sie sind überall auf der Welt leicht erhältlich. Beim Wasser sieht es da schon schwieriger aus. Deshalb gilt für Breuer: „Egal, wo es geht, fülle ich die Flaschen auf.“ Zwei davon mit je 750 Millilitern führt er auf seinem schwarzen Rad mit sich, dazu einen Drei-Liter-Rucksack auf dem Rücken.
Breuer ist gut vorbereitet. Und trotzdem wird er von den Gegnern, die auf der langen Tour durch Marokko auf ihn warten, überrascht: Bauchschmerzen und einmal kein Essen für fast zehn Stunden.
Sebastian Breuer wächst
im Rennen über sich hinaus
„Man kämpft jede erdenkliche Sekunde gegen sich selbst, die Natur und andere Rennfahrer“, wird Breuer nach dem Rennen auf seinem Instagram-Kanal schreiben. Der Bildschirm seines Fahrradcomputers leuchtet blau, zeigt eine zurückgelegte Distanz von 1356 Kilometern, mehr als 21 000 Höhenmeter und 103 Stunden Fahrtzeit an. Das Rennen – „eine Achterbahnfahrt der Gefühle“ – hat er als Gesamtdritter beendet. „Mir war kaum bewusst, wie weit ich über mein Limit gehen muss, um das Rennen überhaupt zu beenden. Ich musste meine körperlichen und mentalen Grenzen weit in den roten Bereich verschieben“, sagt Breuer. Er ist zufrieden mit dem Ergebnis. „Ich habe gewonnen, mich und die Herausforderungen überwunden.“