17 Hippies in der Kufa: Eine Spielwiese in Babylon
Der Klangkosmos der 17 Hippies ist grenzenlos. Am Samstag bittet der schräge Haufen in der Kulturfabrik zum Tanz um den halben Erdball.
Krefeld. Die Welt ist ein Dorf. Es schmilzt auf ein paar Quadratmeter, wenn die 17 Hippies eine Bühne betreten. Die 17 waren mal mehr, mal weniger. Heute sind sie 13 Individualisten, die in reichlich uncooler Besetzung auftreten, mit einem für Rockmusik eher bizarren Instrumentarium. Ohne Schlagzeug, dafür mit Streichern, Bläsern, Akkordeon, Mundharmonika, Dudelsack, Daumenklavier, Glockenspiel und Hackbrett.
Erlaubt ist, was toll klingt und weitestgehend unplugged rüberkommt. "Der Grund war für mich, nicht mehr Verstärker schleppen und lange Soundchecks machen zu müssen, einfach die Ukulele schnell in die Tasche packen zu können", erinnert sich Christopher Blenkinsop, Gitarrist und Gründungsmitglied.
Vor 14 Jahren begannen die Hippies als schräger Haufen, der professionelles Gehabe verabscheute, in einem Übungskeller im Flughafen Tempelhof. "Anfangs haben wir Bekannte angerufen, die spielen konnten, egal was. Und plötzlich hatten wir diese merkwürdige Mischung an Instrumenten." Die Typen dahinter waren nicht minder eigen.
Rockmusiker, Jazzer, klassisch Versierte, Klezmerfreaks fanden sich zu den "offenen Proben" ein. Willkommen war, wer etwas beizutragen hatte, und bitte nicht, wenn'sirgend ging, auf dem Tonerzeuger, den er erlernt hatte. Die einen konnten keine Noten lesen, andere nicht ohne sie spielen. Ein Babylon ohne Berührungsängste, errichtet auf einer grandiosen Spielwiese.
Von Osteuropa über den Balkan, Indien, Nahen Osten, Nordafrika, Frankreich bis in den tiefsten Süden der USA frönen die 17 Hippies seither inbrünstig ihrem grenzenlosen Klangkosmos, vorgetragen in Sprachen, von denen Deutsch nur eine unter vielen ist.
Rumba trifft auf Polka, Klezmer auf Chanson, Cajun auf Irish Folk, Walzer auf Country. Beschwingt und melancholisch, tobsüchtig und feurig. "Man rollt einen Schneeball los, wenn man ein neues Stück beginnt, und am Ende kommen Dinge heraus, mit denen wir nie gerechnet hätten."
Blenkinsop, der wegen seiner Erfahrung als Arrangeur und Produzent für Theater und Film quasi als musikalischer Leiter der Hippies fungiert, schätzt die Spontanität - auch live.
Wie Manu Chao bürsten die kühnen Entdecker gegen den Strich. Als deutsche Globalisten bitten sie auf dem halben Erdball zum Tanz, lassen sich von Musikern aller Herren Länder inspirieren und nehmen gemeinsam auf. Ob in Bordeaux, Algier oder Tel Aviv. Ein ansteckendes Hobby, das außer Kontrolle geraten ist.
Den Erfolg suchte das unkonventionelle Kollektiv nie, eingestellt hat er sich trotzdem. Ökonomisch sieht die vielköpfige Formation mittlerweile festen Grund unter den Füßen. "Zumindest die, die keine Familie ernähren müssen, können von den 17 Hippies leben", meint Blenkinsop.
In ihrer Heimat gelten sie zwar immer noch als Geheimtipp, in Frankreich werden sie - von einem deutlich jüngeren Publikum - fast als Popstars gefeiert. Ihre dritte Studioproduktion "El Dorado" ist gerade raus, das neunte Album in Deutschland nach fünf Live-CDs und dem Film-Soundtrack "Halbe Treppe".
Lutz Ulbrich (Banjo, Gitarre), der in Krautrock-Zeiten groß wurde, begriff erst bei den Hippies die Vorzüge seines Berufs: "Nie hatte ich in einer Band gespielt, die solche Glückshormone freisetzte", gesteht er in seiner Autobiografie. Das findet auch Blenkinsop: "Uns eint das Gefühl, dass die Hippies das Beste sind, was uns im Leben passiert ist."
Nach Jahren des zügellosen Musizierens in Straßen, Bars, Altenheimen, Kirchen, auf Schiffen, bei Gartenpartys und Hochzeiten ist die fröhliche Kapelle disziplinierter geworden, doch fern routinierter Langeweile. Blenkinsop, der am Samstag seinen 46. Geburtstag feiert, nennt diese Chemie, die immer intensiver werde, euphorisch ein "Wunder".