Bei der Ausgrabung des Römerlagers Gelduba stoßen die Wissenschaftler offenbar auf ferne Einflüsse aus dem Orient Auf der Spur von Schutzgöttin Isis

Gellep-Startum · Es ist zerbrochener Krug, der die Aufmerksamkeit der Archäologen auf sich zieht. Zu sehen auf ihm soll eine Darstellung der Schutzgöttin Isis sein, wie sie ihr Kind Horus im Arm trägt. In der Hand eine Rassel, ein antikes Musikinstrument.

Restauratorin Eileen Wolff (v.l., Doktorand Eric Sponville und Stadtarchäologe Hans-Peter Schletter stellten die neusten Erkenntnisse der Großgrabung in Gellep vor.

Foto: Andreas Bischof

Eine Darstellung aus dem Ägyptischen, gefunden am Niederrhein, in der Ausgrabungsstätte Gelduba im heutigen Gellep-Stratum. „Diese Darstellung ist eine echte Seltenheit auf dem Krug“, sagt Mitarbeiter Eric Sponville, der aktuell seine Doktorarbeit um das Thema der römischen Siedlung schreibt. Der Fund ist ein Hingucker. „Einen direkten Vergleich solch einer Darstellung haben wir noch nicht gefunden“, sagt Sponville.

Schon vor 1900 Jahren in Gelduba kultische Einflüsse aus Orient

Gefunden wurde der Tonkrug im Innenbereich des Nordvicus, einem römischen Dorf samt Kastell. Gelduba ist auch für sein großes, erschlossenes Gräberfeld bekannt. Es zählt zu den Größten nördlich der Alpen. Fundstücke gibt es von der Eisenzeit bis ins 8. Jahrhundert nach Christus reichend. Der Tonkrug soll aus dem späten ersten bis frühen zweiten Jahrhundert stammen. Das Dorf wurde seit 2017 vom Archäologischen Museum in Linn ausgegraben. 3,7 Hektar Boden hat man aufgetan. Bis zu 90 000 Einzelfunde sind bis heute geborgen worden. 3300 Befunde sind dokumentiert. Es ist die größte Grabung des Museums bisher.

Angefangen hatte die Forschung auf diesem Gebiet mit der Arbeit des Geologen Albert Steeger 1934. Fünf Jahre später stellte er schon die ersten Thesen auf. Der Fund zeigt, dass es schon vor 1900 Jahren in Gelduba kultische Einflüsse aus dem Orient gab, die es über die römisch-griechische Tradition bis an den Niederrhein geschafft haben. Ikonografische Ähnlichkeiten fallen in Bezug auf christliche Motive auf. Das Bild, wie Maria Jesus im Arm hält.

Man geht davon aus, dass es in der Antike verschiedene Kulte gab, die im Römischen Reich toleriert waren. Kleine Gemeinschaften. Vor allem das Erlösungsversprechen der Religion dürfte den Menschen damals Kraft gegeben haben, glaubt auch Stadtarchäologe Hans-Peter Schletter. Ein Versprechen auf ein Leben nach dem Tod, das es so in der römischen Glauben bis dato nicht gab. Erst die Etablierung des Christentums um 380 nach Christus als Staatsreligion schloss diese Lücke.

Die Archäologen vermuten, dass der Tonkrug auf einer Art Müllhalde am westlichen Siedlungsrand abgelegt wurde, weil er offenbar zersprungen war. Erst nach der Waschung bemerkte man Monate später das Relief. „So etwas ist auf einem einfachen Keramik-Krug selten. Sonst kennen wir dies nur von Bronze- und Eisengefäßen. Es ist ein wirklich seltenes Exemplar. Eine handwerklich schöne Arbeit“, sagt der Luxemburger Eric Sponville aus Dalheim, ebenfalls einem früheren römischen Vicus. Seit 2017 ist er schon mit dabei. Seit Sommer 2018 schreibt er an seiner Doktorarbeit. Der besondere Fund soll jedoch nicht nur eine Randnotiz in seiner Dissertation werden. „Ich will darüber einen eigenen Artikel verfassen“, sagt Sponville.

Am Ende ihrer Forschung und Ausstellung sind die Linner Archäologen noch lange nicht. „Es gibt viele Aspekte, die wir noch gar nicht bearbeiten können. Es sind genügend Stoffe vorhanden. Unsere Fundstücke würden wohl jedem Landesmuseum gut zu Gesicht stehen“, sagt Grabungsleiter Hans-Peter Schletter. Er selbst ist mit der Bataver-Schlacht noch befasst.

Die Sonderausstellung „Abenteuer Großgrabung“ auf Burg Linn soll bis zum 22. November verlängert werden, wegen der Zwangspause während der Corona-Pandemie. Ursprünglich sollte Ende September Schluss sein.