Ausstellung im Kunstverein: Die wütenden Deutschen
Sie kamen aus Mosambik in die DDR, um zu arbeiten — und kämpfen bis heute um ihr Geld. Fotos erzählen von den „Madgermanes“.
Krefeld. Die stärksten Geschichten sind in die Gesichter geschrieben. In den verbitterten Blick von Nelson Ernesto Monheguete, die traurigen Züge von Luis Alberto und die kämpferischen Augen von Carlos João Chivambo. Der junge Fotograf Malte Wandel hat diese Männer in Mosambik getroffen. Er zeigt seine preisgekrönten Bilder ab Freitag im Kunstverein.
Nelson, Luis und die anderen nennen sich „Madgermanes“, die wütenden Deutschen. Sie haben ab 1979 über Jahre in der ehemaligen DDR geschuftet, in Chemiewerken und Textilfabriken. Bis zu 80 Prozent ihres Lohns wurden damals direkt in die Heimat überwiesen, um nach ihrer Rückkehr eine Rente zu garantieren.
Als es mit der DDR und dem Bleiberecht der 16 000 Vertragsarbeiter zu Ende ging, sollten sie als gemachte Männer und Frauen nach Mosambik zurückkehren. Doch ihr Geld, laut Schätzungen etwa 100 Millionen US-Dollar, haben sie nie gesehen.
In ihrem Land gehören sie heute zu den Ärmsten der Armen — und streiten seit inzwischen 20 Jahren gegen die eigene Regierung. „An jedem Mittwoch demonstrieren sie auf den Straßen der Hauptstadt Maputo“, erzählt Moritz Kappen, Kurator der Ausstellung.
30 Fotos hat er für die Schau am Westwall ausgewählt, in enger Abstimmung mit Malte Wandel, der für ein neues Fotoprojekt in Ghana weilt. Ergänzt werden die Arbeiten durch 16 private Aufnahmen der Männer aus ihrer DDR-Zeit. „Bis heute sprechen viele astreines Deutsch und haben eine sehr positive Erinnerung an Deutschland“, sagt Kappen.
Auf den Fotos kommt das durch Erinnerungsstücke zum Ausdruck, mit denen sie sich inszenieren: Flaggen, schwarz-rot-goldener Tand oder Langspielplatten früherer DDR-Stars. In diesen privaten Einblicken, die Malte Wandel mit einem tollen Gespür für Licht und Farbe festgehalten hat, wird die Verzweiflung der Männer ebenso spürbar wie ihr trotziger Stolz.
Die Bilder sind leise, teils fast intim, sie verbreiten keine marktschreierische politische Botschaft. Gerade dadurch machen sie die Ungerechtigkeit sichtbar, die den „Madgermanes“ widerfährt.
Fotografisch ebenso überzeugend sind die Impressionen von Mosambik, die Wandel vermittelt: Strände, Straßen und Promenaden, ein kitschiger Abendhimmel über dem Meer, der ein Postkartenmotiv sein könnte.
Leider fasert das Konzept der Ausstellung durch diese Bilder aus, die Klarheit der künstlerischen Position geht verloren, weil Wandel sich selbst vom Entdecker zum Touristen degradiert. Allerdings blickt man schon etwas anders auf den Wolkenhimmel, wenn man weiß, von welcher Straße aus das Bild aufgenommen wurde. Es ist die Avenida Friedrich Engels.
Kunstverein, Westwall 124, Eröffnung Freitag, 19 Uhr.