THEATER KREFELD Diese Treppe führt in den Tod

Krefeld · Das Theater präsentiert eine eindrucksvolle Inszenierung des antiken Dramas „Antigone“.

Kreon (l.,Joachim Henschke) hat seine Nichte Antigone (Vera Maria Schmidt) zum Tode verurteilt. 

Foto: Matthias Stutte

Ganz im Zeichen des antiken Dramas standen zwei Schauspielpremieren am Wochenende. Den Auftakt dieses besonderen „double feature“ machte am Freitag in der Fabrik Heeder das zeitgenössische Stück „Schwester von“, in dem Antigones Schwester Ismene im Zentrum steht. Am Samstag folgte im Theater Krefeld Sophokles’ Drama „Antigone“ in einer eindrucksvollen Interpretation.

Schauspieldirektor Matthias Gehrt hat mit seiner Regie die Zeitlosigkeit des Stoffes eindringlich sichtbar gemacht. Zu Beginn, noch während die Zuschauer in den Saal kommen, stehen alle Protagonisten auf der Bühne, die von einer frontal ausgerichteten Treppe und einem quer dahinter verlaufenden Steg klar gegliedert ist (Bühne Gabriele Trinczek). Diese Elemente kennzeichnen den Weg zum Palast, die Gliederung der Ebenen macht aber auch die Fallhöhe in dem Drama deutlich sichtbar.

Wie sich eine Familie
selbst zerstört

Durch schicksalhafte Verknüpfungen zerstört eine Familie sich fast komplett selbst. Die Treppe wird dabei zunehmend auch zum Symbol für den Weg in den Tod, der Bühnenboden, im Lauf des Abends mit unzähligen Kerzen gefüllt, zu einem Grabgewölbe.

Diese allmähliche Verwandlung des Raumes durch die Kerzen ist eine der gelungensten Ideen. Als stumme Doppelgängerin der Antigone erfüllt Melina Mänz diese konzentrierte Aufgabe mit Bravour. Bereits während Antigone (Vera Maria Schmidt) mit ihrer Schwester (Carolin Schupa) streitet, ob sie ihren toten Bruder gesetzeswidrig beerdigen darf, beginnt die stumme Antigone mit der Totenehrung. Unbeirrt vom Geschehen um sie herum, stellt sie eine Kerze nach der anderen auf den Boden. Antigone ist von der Richtigkeit ihrer Handlung, die nicht menschlichen, sondern göttlichen Gesetzen folgt, bis zuletzt überzeugt. Kreon besteht auf seiner Macht und verurteilt seine Nichte zum Tod. Als sie sich daraufhin das Leben nimmt, spendet ihre stumme Doppelgängerin eine letzte Kerze und verschwindet.

Antigone, die Vera Maria Schmidt mit großer Energie und gegen Ende auch berührender Zerbrechlichkeit verkörpert, gleitet als Verurteilte die Treppe hinunter wie in eine Gruft. Auch ihr Bräutigam Haimon (Henning Kallweit) und seine Mutter Eurydike (Eva Spott), die sich beide das Leben nehmen, liegen am Ende auf dieser Treppe. Die ganze Bühne wird so zum Grab, in dem nur der verzweifelte Kreon zurückbleibt. Zuvor hat er unerbittlich an seinen Gesetzten festgehalten und damit die Götter herausgefordert. Joachim Henschke überzeugt als starrsinniger König, der seine Macht behaupten will.

Als ihn der blinde Seher Teiresias, dem Eva Spott als übergroße Erscheinung unheimliche Präsenz verleiht, auf die Konsequenzen hinweist, ist es zu spät. Kreon kann weder Antigone retten noch die Selbstmorde seines Sohnes und seiner Frau verhindern. „Ich bin ein Nichts, die Schuld trifft mich allein“, sagt der am Ende gebrochene Mann, der trotz allem am Leben bleibt.

Gestrafft auf 90 Minuten, spielt sich ein sehr dichtes Drama ab, das auch von der klaren und poetischen Sprache (Übersetzung Peter Krumme) getragen wird, ab. Eine besondere Atmosphäre schafft die Musik (Jörg Ostermayer), die teilweise live von Michael Ophelders auf dem Saxofon gespielt wird. Der Schauspieler verkörpert in einer Person den Chor der thebanischen Alten. Dessen kommentierende Texte werden durch die Musikpassagen noch emotional gesteigert, auch das eine schlüssige Idee. Das Publikum wechselte am Ende von konzentrierter Stille zu begeistertem Applaus.