Sommerkirche 2020 Christoph Hilger verwandelte klassische Poesie in Lieder unserer Zeit

Krefeld · Der Künstler ließ den Stil der Liedermacher wie Hannes Wader, Klaus Hoffmann oder Reinhard Mey wieder auferstehen.

Christoph Hilger bei seinem Auftritt in Krefeld.

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Die Stadt- und Pfarrkirche St. Dionysius Krefeld bietet nun schon zum fünften Mal ein Kultur- und Freizeit- Projekt an, das die Corona-geprägte Ferienzeit mit Bewegungsangeboten, Musik und religiöser Dimension ausfüllen soll: „Sommerkirche 2020“. Gemeindereferent Bernd Kaesmacher kündigte ein Outdoor-Konzert an, „Poesie geht ohne Schuh“ mit dem Liedermacher Christoph Hilger. Der Künstler mit der Gitarre ist ausgebildeter Schauspieler, Sprecher, Sänger und Coach, hatte viele Jahre eine Professur für medienspezifisches Sprechen in Potsdam inne. 40 Jahre musikalische Bühnenerfahrung als Liedermacher, Punkmusiker, klassischer Gitarrist und Musical-Darsteller prägten seinen Werdegang.

Seit etwa 2012 beschäftigt er sich mit der Poesie aus Klassik, Romantik bis zur Lyrik des 20. Jahrhunderts. Fontane, von Arnim, Goethe, Voss, Claudius, Rückert, Eichendorff, Heine, Brentano und Rilke, er lässt sich von deren Texten inspirieren, prüft sie auf ihre Aussagekraft für unsere Zeit und streift ihnen einen Musiksound über, der sie zu Liedern unserer Zeit macht. Man hört in Hilgers Transkriptionen den Stil der Liedermacher wie Hannes Wader, Klaus Hoffmann oder Reinhard Mey wieder auferstehen.

Bei dem Konzert fehlte
die jüngere Generation

Man stellt fest, dass die Worte von Goethe, Heine und Eichendorff modern und aktuell klingen, wenn man ihnen den richtigen Sound verpasst. Moderne Harmonien, vom Jazz beeinflusst, moderne Tango-Rhythmen, moderne Zupftechniken verwandeln die alten Texte in aktuelle Lieder unserer Zeit. Hilger gelingt der Transport von sachlich orientierter Sprache zu emotionaler Aussage. Der Tonfall verändert die Aussage.

„Poesie geht ohne Schuh“ ist ein Zitat aus einem Eichendorff-Gedicht und kann als unspektakuläre Annäherung an Poesie gedeutet werden. Liebeslyrik nach Texten von Goethe werden im Stile eines Reinhard Mey interpretiert, Rückerts Liebesschmerz-Text „Als ich die Augen schloss“ wird in das Kleid eines Tangos gehüllt. Hilger schafft Atmosphäre mit Eichendorffs „Nachtblume“, wenn er die Worte „Nacht ist wie ein stilles Meer“ zu einer leisen, fast geflüsterten Lyrik verwandelt, wohltuend anzuhören in einer von Corona, Rassismus und Straßenterror geplagten Welt.

Beeindruckend, wie Hilger als Einzeldarsteller die Spannung über zwei Stunden aufrecht hielt. Er war unterhaltsam, obwohl er sich eher als konzertanter Künstler sieht. Herzlicher Applaus eines sehr aufmerksamen, allerdings schon etwas älteren Publikums. Es fehlte die jüngere Generation.