Museums-Serie Auftakt mit „Materialszenen“
Serie | Krefeld · Wir stellen die 15 thematischen Räume der neuen Sammlungspräsentation im Kaiser-Wilhelm-Museum vor.
Es gibt viele Wege, um die Sammlung, also die Kunst im Besitz eines Museums, zu präsentieren. Will man jedoch ein möglichst großes Spektrum an Themen, die sich gerne in den Tiefen der Archive verstecken, zeitgleich an den Besucher bringen, müssen Kuratoren, also die Ausstellungsplaner, sich etwas einfallen lassen. Soll es chronologisch, vielleicht sogar nach Epochen sortiert jeweils eine Auswahl an beispielhaften Exponaten geben? Vielleicht ganz modern Erlebnisräume mit losen Assoziationsketten? Wie wird man den Anforderungen an ein modernes Museum, zeitgleich aber auch der ästhetischen Präsentation von Kunst gerecht?
Die Kunstmuseen Krefeld haben sich entschieden, ihre Sammlung im Kaiser-Wilhelm-Museum auf eine Art zu präsentieren, die viele Wünsche an eine zeitgemäße Präsentation befriedigt. Einerseits erwartet den Besucher eine große Abwechslung und Vielfalt in insgesamt 15 thematischen Räumen, andererseits aber auch eine ästhetische und minimalistische Ausstellungsgestaltung, die viel Raum lässt, den Betrachter nicht mit Gimmicks aus der Ausstellungs-Trickkiste überfrachtet. „Sammlung in Bewegung“ – so das Motto – soll dabei nicht statisch sein; die 15 Geschichten, die thematisch mal enger, mal weiter gefasst erzählt werden sollen, sind nicht in Stein gemeißelt. Einzelne Räume sollen immer wieder auch mal neu bestückt werden.
Es liegt der Duft von
Kaffee in der Luft
Betritt man die Schau in der ersten Etage des KWMs, begegnet einem zunächst der Raum „Materialszenen“. Ein großer Haufen zerknüllten schwarzen Papiers zieht den Besucher sogleich in den Bann (Reiner Ruthenbeck „Schwarzer Papierhaufen“, 1970) und eine Stellwand mit den Infos zum Raum auf der einen Seite, der auf ehrliche Weise sein Innenleben preisgibt. An einer anderen Stelle findet sich frisch gemahlener Kaffee in einer filigranen Drahtkonstruktion (Jannis Kounellis, „Ohne Titel“ 1969).
Dieser Raum dreht sich um das Material in der Kunst. Aber nicht etwa um wertvolle, besonders hochwertige Stoffe, aus denen – so mag man denken – Künstler ihre Werke schaffen, sondern um die Eroberung der Kunstsphäre durch Alltagsmaterialien oder noch radikaler, die Negation von Material überhaupt. Zeitgleich aber auch die Fokussierung darauf. Je nach Blickwinkel drehten sich die Arbeiten von Künstlern aus verschiedenen Richtungen, sei es Nouveau Réalisme, Fluxus, Minimal Art, Process Art, Arte Povera oder auch Land Art, um die Formung, Aktion und Reaktion von „gewöhnlichen“ Materialien. Es ließen sich, so die Erklärung in dem Begleittext zu dem Raum, für diese „material turn“ Spuren bis hin zu Pollock ziehen. Jenem Künstler, der Farbe in seiner reinen Materialität nutzend auf die Leinwand tropfen ließ. Oft wird die Aktion, der Prozess zum eigentlichen ästhetischen Kern und das Ergebnis kann sogar zweitrangig sein. Wenngleich die Aktion selbst auch mal nur eine Idee, also gegenstandslos sein kann. „In den Einsatz kommen Elemente wie flüssiges Blei, Textilien wie Filz und Baumwolle, Kaffee, Sand, Honig, Latex und vieles mehr“, heißt es weiter im Begleittext, den der Besucher an der Wand lesen und deren Verweise er teilweise leibhaftig an den Exponaten erleben kann.
Kehren wir doch beispielhaft für die üppige Auswahl an Exponaten zurück zu Ruthenbecks „Schwarzem Papierhaufen“. Hier ist der Workflow, die Idee, das, was der eigentliche künstlerische Prozess ist. Das Werk wird jeweils aufs Neue, wenn es ausgestellt wird, nach den Vorgaben des Künstlers hergestellt. Papier wird zerknüllt und auf einen Haufen geschichtet. Eigentlich so banal. Oder? Aber schaut man sich dieses Werk an, so strömen unzählige Gedanken in einem empor. Hier wird mit Gewicht, mit Schwere und Leichtigkeit gespielt. In seiner dunklen Gestalt als Haufen mutet die Ansammlung gewichtig an, wie ein Steinhaufen. Unverrückbar, fast wie ein Berg. Doch die Dialektik, die innere Widersprüchlichkeit, macht diesen Haufen so faszinierend, denn eigentlich ist er federleicht, besteht nur aus dünnem leichten Papier. Da macht der Name des Werks „Schwarzer Papierhaufen“ auch keinen Hehl draus, er benennt, was ist. Doch der Betrachter lässt seine Fantasie schweifen.
Was ist unser eigenes Zutun und was ist dem Werk intrinsisch? Was ist dem Material intrinsisch? Was hat es von dem Künstler gefordert, und was forderte der Künstler von dem Material? Ähnliche Fragen ließen sich auch zu den anderen Exponaten stellen. Sei es auch nur mittelbar wie bei Videos von Richard Serra.
1969 war in Haus Lange eine zweite Variante der legendären Basler Ausstellung „When attitudes become form“ zu sehen. Unter dem Titel „Vorstellungen nehmen Form“. Ein Startschuss für eine Tradition, an die dieser Raum anknüpft.
Kaiser-Wilhelm-Museum (Joseph-Beuys-Platz 1). Geöffnet: Dienstag bis Sonntag 11 bis 17 Uhr.