Der Hüter der Vergangenheit
Olaf Richter ist das neue Gesicht des Stadtarchivs. Krefeld will er demnächst per Fahrrad erkunden.
Krefeld. Er ist gekommen, um zu bleiben - daran lässt Olaf Richter keinen Zweifel. Rund 25 Arbeitsjahre liegen noch vor ihm, und er kann sich gut vorstellen, sie im Krefelder Stadtarchiv zu verbringen. In diesem Fall hätte er sogar seinen Vorgänger Paul-Günther Schulte überflügelt. "Er ist ein wandelndes Lexikon", sagt Richter. "Er weiß fast alles über Krefeld."
Was das betrifft, fängt der Nachfolger fast bei Null an. Olaf Richter stammt aus Korschenbroich, lebt in Gladbach und hat lange im Staatsarchiv Düsseldorf gearbeitet. Krefeld und dessen bewegte Stadtgeschichte kannte er bislang nur aus der Ferne - umso neugieriger stürzt er sich nun auf den Schatz, der sich vor ihm ausbreitet. Richter ist ab sofort Herrscher über 5,5 Kilometer Akten und die unendlich vielen Lebensgeschichten, die sich darin verbergen.
Die Faszination für Vergangenes begleitet den 41-Jährigen schon lange: In der Schule hatte er Leistungskurs Geschichte, nach dem Abi folgte ein Praktikum im Stadtarchiv Mönchengladbach. "Dort habe ich mich Wort für Wort durch einen lateinischen Brief von Wallenstein an Kaiser Ferdinand gewühlt", erinnert er sich. Die Geduld, die man dafür braucht, strahlt der Experte für die frühe Neuzeit auch als Gesprächspartner aus. Olaf Richter ist kein Lautsprecher, er redet mit Bedacht und Substanz.
Genau so wird er wohl die Reformen umsetzen, die ihm vorschweben. "Der Archivar gilt ja mitunter als verstaubt", nennt er das Klischee selbst beim Namen - und wirkt ihm sogleich entgegen. Als eine der ersten Aufgaben setzt er die Digitalisierung des Stadtarchivs um. Ab Sommer 2010 sollen Nutzer von zu Hause aus stöbern können und Anträge online vorfinden.
Richter möchte die Zusammenarbeit mit den Schulen intensivieren, das Archiv als offenes Haus führen, dazu auch das teils wenig einladende Ambiente verbessern. All dies nicht von oben herab als Chef, sondern gemeinsam mit den zehn Mitarbeitern: Mit jedem hat er anfangs zum Kennenlernen einen kompletten Arbeitstag verbracht.
Richter sieht sich nicht nur als Hüter des Vergangenen, der "Erinnerungen deutbar macht", sondern betrachtet auch die Gegenwart mit offenen Augen. Die Verantwortung, das Leben in Krefeld für künftige Generationen abzubilden, nimmt er ernst. "Ein Archiv muss schreddern und wegwerfen, aber das Wichtige bewahren. Das ist kreative Arbeit."
Um noch näher dran zu sein, will der neue Archivar mit seiner Frau nach Krefeld ziehen, Kontakte aufbauen und pflegen. Ein "Karnevalskasper" sei er nicht gerade, gibt Richter zu: "Aber ich bin gerne unter Menschen." Die ganz verschiedenen Stadtteile seiner neuen Heimat wird er mit dem Fahrrad erkunden - und dabei wohl vieles entdecken, das in keiner Akte steht.