Ballett Eine berührende Winterreise
Der französische Choreograph Martin Chaix überzeugt mit seinem Gespür für Musik und großartigen Tänzern.
Krefeld. Franz Schuberts berühmter Liederzyklus hat schon viele Choreografen zu einer getanzten Interpretation inspiriert. Ein besonders faszinierendes Beispiel war am Sonntagabend in der Fabrik Heeder zu sehen. Im Rahmen des Formats „First Steps“ zeigte der junge französische Choreograf Martin Chaix sein einstündiges Stück „Eine Winterreise“.
Ein Genuss war dabei, drei Solisten von Martin Schläpfers Compagnie Ballett am Rhein hautnah zu erleben. Im Mittelpunkt dieser Winterreise steht nicht wie bei Schubert ein Wanderer sondern eine Frau, die sich mit einer verlorenen Liebe auseinandersetzt.
Ein Thema, das große Emotionen aber auch einen Rückzug ins Innere umfasst. Beide Seiten lotet Chaix eindrucksvoll aus. In lebhaften Gesten und tänzerisch ausgelassenen Passagen bringt die Frau ihre Verzweiflung aber auch die Erinnerung an glückliche Zeiten zum Ausdruck. Dem entgegen gesetzt sind die Momente des Innehaltens, der Erstarrung oder der minimalen Bewegung. Mit großer Sensibilität verkörpert Ann-Kathrin Adam diese Frau. Dabei gelingt der rothaarigen Tänzerin eindrucksvoll der Wechsel von energiegeladener Emotion in einen Zustand des völlig in sich Verlorenseins.
Wenn sie am Boden liegt und scheinbar nicht die Kraft hat sich allein aufzurichten oder sich immer wieder von der Wucht ihres Schmerzes einfach fallen lässt, sind das Momente, die unter die Haut gehen. Sie durchlebt- und leidet alles mit jeder Faser ihres Körpers. Diesen beklemmenden Passagen setzt Chaix Momente von trügerischer Leichtigkeit entgegen. Dazu bringt er zwei Tänzer ins Spiel.
Philip Handschin verkörpert den Geliebten, der sich noch einmal beschwingt mit ihr zu den Klängen des „Frühlingstraum“ dreht und später abwendet. Rashan Arts kommt als zweiter Mann ins Spiel. Er will den Geliebten für sich gewinnen, doch es bleibt unklar, ob das Realität ist oder sich nur in der Fantasie der Frau abspielt. Die Balance zwischen erzählerischen Elementen und der Darstellung von Zuständen gelingt Chaix großartig. Ganz eindrucksvoll ist auch sein Gespür für die Musik. So verwendet er einzelne Lieder der Winterreise in verschiedenen Bearbeitungen, darunter eine wunderbare Version für Saxofon und Klavier.
Die spezielle Melancholie des Jazz kommt so ins Spiel und zusammen mit weiteren Jazzklassikern entsteht ein facettenreicher Klangteppich. Nach einer ausgelassenen Szene mit Papierschnee, bei der die Stimmung plötzlich wieder kippt, endet auch diese berührende Winterreise ganz still zu den Klängen des todtraurigen „Leiermanns“. Das Publikum feierte Solisten und Choreografen mit begeistertem Applaus.