Ausstellung Eine nostalgische Sicht auf Krefeld
Krefeld · In den 1960er Jahren schmückten Dioramen die Schaufenster des Kaufhofs. Nach einem Dornröschenschlaf sind sie im Haus der Seidenkultur zu sehen.
Vorweihnachtszeit – Zeit, warm eingepackt in kuschelige Jacken in der vor Lichtern glänzenden Stadt spazieren zu gehen und sich in die Welt der Träume entführen zu lassen.
Stellen Sie sich vor, Sie schlendern in der Krefelder City mit ihren Kindern oder Enkelkindern an Schaufenstern vorbei und dort finden sich hübsch gemachte, stimmungsvoll beleuchtete und überaus nostalgische Szenen aus Krefeld wie es früher einmal war. Ansichten aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert, mit Häusern, die es so nicht mehr gibt, mit Menschen, die gekleidet sind wie in einem Historienfilm – kleine charmante Geschichten erzählt jede Szenerie und weckt ein warmes Gefühl, was einen beschleicht, wenn man an die „gute alte Zeit“ denkt. Dass es diese idealisierte Zeit so in der unbeschwerten zuckersüßen Weise niemals so richtig gab, ist die eine Seite; die andere indes ist, die Fantasie schweifen zu lassen und sich ein Bild davon zu machen, wie Krefeld seinerzeit wohl ausgesehen haben könnte.
Diese Gelegenheit gab es einmal in unserer Stadt, genauer gesagt in der Adventszeit 1961, in den Schaufenstern des damals neuen Erweiterungsbaus des Kaufhofs am Neumarkt. Dass daraus keine liebgewonnene Tradition geworden ist, die bei Alt und Jung zu den heißgeliebten und erwarteten stimmungsvollen Schmankerln der adventlichen Stadtbesuche gehört, muss man nicht verstehen. Dass die Dioramen – so heißen die aus Pappe, Sperrholz und Stoff modellierten dreidimensional aufgebauten Schaukästen –, die damals mit großer Liebe zum Detail nach historischen Drucken und Fotografien aus dem Bestand des Stadtarchivs von den Dekorateuren des Kaufhauses gebaut wurden, schließlich recht kurzfristig wieder in der Versenkung verschwanden, muss man auch nicht verstehen.
Die Dioramen waren lange
in der Obhut der Stadt
Wie die WZ schon im Januar berichtete, gab es einige Irrungen und Wirrungen um das Schicksal dieser rund 50 Kilogramm schweren und circa anderthalb mal anderthalb Meter großen Schaukästen. Die 14 historischen Darstellungen von Straßenszenen kamen zunächst in die Obhut der Stadt, verschwanden aber offenbar in der Versenkung. Sie wurden vereinzelt gezeigt, verbürgt ist eine Ausstellung aus dem Jahr 1992 im Museum Burg Linn.
Durch Umwege kamen die Exponate, die an sich jetzt weniger einen kunsthistorischen oder streng historischen Wert haben, schließlich in die Obhut des Hauses der Seidenkultur und wurden in einem Keller der Robert-Jungk-Gesamtschule zwischengelagert. Unter der engagierten Federführung von Achim Wahl hat man die Dioramen soweit wieder in Stand gesetzt, dass sie nun in den Räumen des HdS ausgestellt werden können.
Wahl, der die Ausstellung „Crefeld in 3D – wie es früher war“ selbst kuratiert, betont aber, dass der Zustand der Exponate eigentlich eine fachmännische und umfassende Restaurierung wünschenswert machen würde. Heißt es auch im Begleitmaterial der Ausstellung in den 90ern, dass sie damals schon einmal gereinigt und restauriert wurden. Aber auch so sind die Szenen aus Krefeld, Linn und Uerdingen wundervolle Zeugnisse einer romantisierenden Sicht auf die Historie der Stadt. Mit erstaunlich viel Liebe zum Detail zeigen sie unter anderem das Uerdinger Obertor, das 1877 abgebrochen wurde, das „Stadtschloss“, also das Rathaus, das Kaiser-Wilhelm-Museum, den Neumarkt um 1900, Teile der Hochstraße oder auch die Königsburg.
Die noch mit alter Technik beleuchteten Schaukästen stehen also nun im Erdgeschoss des Hauses der Seidenkultur. Und können ab der Eröffnung am Sonntag – die Vernissage um 11 Uhr ist indes schon ausgebucht – während der Öffnungszeiten (mittwochs bis freitags 15 bis 18 Uhr, sonntags 13 bis 17 Uhr) und an individuell vereinbarten Gruppenterminen (Anmeldung unter besucherdienst@seidenkultur.de) besichtigt werden. Nicht nur lassen sich so manche nicht mehr sichtbaren Schätze Krefelder Stadtgeschichte wiederentdecken, sondern die Dioramen regen auch dazu an, sich in die Szenen fallen zu lassen, zu träumen. Nur schade, dass dies nicht für alle öffentlich niederschwellig etwa in weihnachtlichen Schaufenstern passiert; wenngleich die Macher vom Haus der Seidenkultur gewiss mit viel Herz gerne Neugierige durch ihre Ausstellung führen und so manche Anekdote zum Besten geben.
Ein Wunsch indes bleibt offen. Man sucht jemanden, der die Dioramen, die derzeitig Eigentum des Hauses der Seidenkultur sind, in Obhut nimmt, sie restauriert und idealerweise auch zukünftig der Öffentlichkeit zugänglich macht. Wenn man sie richtig hübsch aufpoliert, könnten sie doch eine der Adventsattraktionen werden – oder haben wir unseren Sinn für Nostalgie derart verloren, dass uns so was Herzerwärmendes inzwischen vollkommen egal ist und wir sie achtlos im Keller verschimmeln lassen wollen? Wobei es sei betont, der Keller in der Gesamtschule ist nicht feucht.
Zu der Ausstellung im Haus der Seidenkultur (Luisenstr. 15) soll es noch zudem ein Begleitprogramm geben. Weitere Infos zur Schau, die bis zum 26. April 2020 läuft, finden sich online.