Fabian Marcaccio zeigt die dunkle Seite der USA

Fabian Marcaccio seziert in brachialen Bildern Schockmomente der Geschichte.

Krefeld. Man sieht sie nicht gleich, die Toten und Verstümmelten. Zuerst muss sich das Auge durch dicke Schichten von Silikon arbeiten, an grellen Farben vorbei tief in den Kern des Bildes. Dort stößt man auf Eric und Dylan, die Attentäter von der Columbine High School, die in ihrem eigenen Blut liegen, auf den irren Sektenführer Jim Jones, der hunderte Jünger in den Selbstmord trieb, oder auf die verbrannte Leiche eines Söldners, die im Irak über dem biblischen Fluss Euphrat baumelt.

Es dauert eine Weile, bis die zwölf Bilder von Fabian Marcaccio, die ab Sonntag im Haus Esters zu sehen sind, ihr Geheimnis preisgeben. Doch wenn das geschieht, oft dank des Titels, dann trifft es einen mit Wucht. Hier seziert einer die dunkle Seite der USA, die Schockmomente von Waco bis Falludscha. Andere Bilder gehören zu keinem konkreten Ereignis, sie sind Symbole der Macht: eine Stretch-Limo oder das leere Podium im Weißen Haus, kurz bevor der Präsident auftritt.

Die Wucht der Wirkung hat auch mit der Wucht der Gestaltung zu tun: Marcaccio, der 1963 in Argentinien geboren ist, aber seit mehr als 20 Jahren in New York lebt, bespannt riesige Holzrahmen mit groben Hanfseilen. Sie bilden seine Leinwand, auf der er plastische Landschaften aus farbigem Silikon entstehen lässt, teils per Hand, teils mit einer selbst gebauten Maschine.

Dank des elastischen Materials „bleiben die Bilder unter Spannung“, wie Marcaccio sagt. Fast scheint es, als könne ihre Gewalt jederzeit in den Raum überwechseln. Denn das Warum, das ihn selbst antreibt, soll auch den Betrachter beschäftigen — und tatsächlich kann man dieser Frage kaum ausweichen. Die Aufreihung amerikanischer Albträume schreit sie förmlich heraus.

Dennoch haftet den Bildern nichts Plakatives an, es sind keine plumpen Provokationen. Manche entwickeln sogar eine traurige Stille, weil sie ein Detail für das grausame Ganze wirken lassen: ein Einschussloch im Fenster oder den roten Vorhang, vor dem Michael Jackson bei seiner letzten Pressekonferenz saß. „Er sprach wie bei seiner eigenen Beerdigung, und dann starb er“, sagt Marcaccio. Das perfekte Ende der „terminal pop mutant figure“.

Dass der Künstler den beinahe manisch gehuldigten Popstar auf ein Symbol reduziert, ist konsequent. Denn im Gegenzug rückt er genau das ins Licht, was die Nation am liebsten vergessen möchte. „Manche Nationen erinnern sich zu viel, die Amerikaner hingegen möchten alles auslöschen“, sagt Marcaccio. Er denkt gar nicht daran, das zuzulassen.

Fabian Marcaccio: „Some USA Stories“. Eröffnung am Sonntag, 11.30 Uhr, in Haus Esters. Parallel eröffnet in Haus Lange „Home Grown“ von Martin Schwenk (WZ vom 17. März).