"Rausch" feiert Premiere im Kresch-Theater: Höllentrip im Eiswasser

Im Kresch stellen Jugendliche die Frage, was Drogen anrichten. Sie leuchten die Tiefen aus, ohne Höhenflüge zu verschweigen.

Krefeld. Harten Stoff bietet das Kresch in der Fabrik Heeder. Am Freitag feierte „Rausch“ dort Premiere. Die Schauspieler sind, wie ihr Zielpublikum, 15 bis 24 Jahre alt. Das ist authentisch und dient der Identifizierung. Denn es geht in der Geschichte einer Abhängigkeit um die große emotionale Verunsicherung in der Pubertät.

Inspiration fand Regisseurin Anna Brass in dem Drogenepos „Crank“ (Ellen Hopkins), dem Kultbuch „Trainspotting“ (Irvine Welsh) und dem unveröffentlichten Auftragstext „Ice cold Ice“ von Ramin Raissi, der an seiner Sucht früh gestorben ist. Gemeinsam mit den Jugendlichen entwickelte Brass daraus ein Stück über Versuchung, Gefahr und Lust.

Die Clique ist der Übungsplatz für die soziale Integration. Alle sind auf der Suche nach etwas, das es nicht gibt. Sie sagen nicht „Ja zum Leben“, sondern trotzig „zum Ja-Sagen Nein“. Mit beträchtlichem Körpereinsatz und erbarmungslos prasselnden Stakkatosätzen treiben sie die Handlung als antiker Chor voran.

Im Mittelpunkt steht Kristina (Saliha Shagasi). Ihre Flucht aus der Wirklichkeit startet relativ harmlos. Alles beginnt mit einem Liter Wodka auf dem Bürgersteig, führt rasant zu einer steilen „Drogenkarriere“ und endet mit einer ungewollten Schwangerschaft.

Gleich der erste Rausch bringt Kristinas dunkle Seite zum Vorschein: Kira (Jana Brass), ihr cooles Alter Ego. Sie lernt die Jungs näher kennen, die eigentlich nicht Kristinas Typ sind und sie in einen teuflischen Drogenkreislauf schleudern. Im Höllentrip lässt Kristina nichts aus. Dem Alkohol folgen Speed, Ecstasy, Kokain, letztlich Heroin.

„Rausch“ stellt die Frage: Wie fühlt sich Sucht an? Die Dämonen nur zu verteufeln, wäre zu simpel. Das Stück leuchtet die Tiefen aus, ohne die Höhenflüge zu verschweigen. Frank Andermahr gestaltet die Bühne, Annika Blasius die Kostüme wie das Innenleben der Figuren: schwarz, karg und kalt. Eine Kälte, die wie Eiswasser durch die Körper fließt. Überhaupt wird viel mit Wasser hantiert. Die Schauspieler versenken ihre Körper in großen Aquarien. Hinter Glas sind ihre verzerrten Gesichter halb Meerjungfrau, halb Wasserleiche.

Der Ausgang bleibt offen. Das Stück hält mehr als ein Ende parat. „Was wollt Ihr?“, lautet die Schlussfrage nach 45 Minuten. Jeder Zuschauer kann selbst sein Ende schreiben. Die Kraft, sich zu befreien, liegt in der eigenen Macht. Man muss nur „Ja“ sagen zum Leben. Tosender Applaus für einen verstörenden Abend.