Deutsches Textilmuseum Krefeld Wochenblätter aus dem 18. Jahrhundert
Krefeld · Im Rahmen des Parvenue-Projekts am Deutschen Textilmuseum erforscht Marion Rudel die „Duisburger Intelligenz-Zettel“.
Auch wenn es so scheinen mag, die städtischen Museen – dürfen sie zwar vor Ort kein Publikum empfangen – sind nicht im durch Corona bedingten Winterschlaf. Es wird trotz Lockdown hinter den Kulissen sehr fleißig an sehr verschiedenen Dingen gearbeitet. An aktuellen, also Vorbereitungen zu kommenden Ausstellungen etwa, aber auch an Forschungsprojekten, die auch jetzt weiterlaufen, und die wohl erst zukünftig zu sichtbaren Ergebnissen für Museumsbesucher führen werden. Aber eines muss man sich klarmachen. Damit es später Exponate in wohlgeordneter und erklärter Weise zu besichtigen gibt, braucht es bisweilen jahrelange Vorarbeit.
Das preußische Anzeigenblatt erschien ab 1727
Diese findet in verschiedenen Projekten auch im Deutschen Textilmuseum statt. Und eines dieser Projekte soll heute in den Fokus rücken, beziehungsweise ein spezieller Aspekt dessen. Das Textilmuseum ist an dem Parvenue-Verbundprojekt „Bürgerlicher Aufstieg im Spiegel der Objektkultur im 18. Jahrhundert“ gemeinsam mit der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, der Hochschule Fresenius Berlin/AMD Fachbereich Design, dem Museum Burg Linn und dem Deutschen Keramikmuseum Hetjens beteiligt. „Parvenue“ steht eigentlich für Emporkömmlinge, aus dem Französischen „zu etwas gelangen“, doch hier ist es gesamtgesellschaftlicher zu begreifen, als Schlagwort für den Aufstieg des Bürgertums. In diesem Projekt werden verschiedene Aspekte dieses spannenden Themenfeldes erforscht – einige davon sind auch am Textilmuseum angesiedelt. Marion Rudel, sie kommt von der Uni Düsseldorf, wo sie derzeit auch promoviert, befasst sich unter der Projektleitung von Isa Fleischmann-Heck mit den Duisburger Intelligenz-Zetteln. Beziehungsweise damit, was sich aus diesen über Textilien, Konsum und Besitz von Bürgern der Zeit herausfiltern lässt – um es etwas verkürzt zu formulieren.
Um aber zu verstehen, was dies genau bedeutet, muss man kurz erläutern, was diese Intelligenz-Zettel denn waren. Im Grunde waren sie ein Anzeigenblatt, mit der der preußische Staat in die Regionen hineinwirkte. Auch in den Westen. Die wöchentlich erscheinende Schrift beinhaltete neben Anzeigen vieler Art auch behördliche Bekanntmachungen. Dazu gehörten etwa auch Diebstahlanzeigen, Steckbriefe, Suchaufrufe und dergleichen. Die Zettel erschienen in Duisburg und der Region ab 1727 mit Unterbrechung bis 1805. Sie wurden 1806 nach Hamm verlegt, und fallen somit genau in eine Zeit von massiven gesellschaftlichen und politischen Transformationen.
Was diese pro Ausgabe um die sieben bis achtseitigen Quellen, die Rudel akribisch auf bestimmte Arten von Spuren durchforstet, so spannend macht, ist, dass in ihnen im Rahmen der verschiedentlichen Anzeigen Kleidungsstücke und ähnliche Gegenstände, etwa Schmuck, beschrieben werden. Sei es, wenn es um Meldungen zu Diebstählen geht oder etwa um einen Steckbrief, in dem abzulesen ist, wie der Gesuchte bekleidet gewesen sei. Oder auch in Anzeigen, Verkaufsangeboten oder Ausschreibungen. So könne man Einblick darin gewinnen, was die Menschen zu Hause hatten. Weitere Erkenntnisse lassen sich für Konsum- und Textilforschung nutzbar machen. Doch scheint die Arbeit noch im Prozess zu sein, so wirken die Aussagen im Rahmen einer telefonischen Pressekonferenz. Es bleibt also abzuwarten, welche Überraschungen uns noch erwarten können aus dieser Ecke des Projekts.
Dass Rudel bei ihrer Arbeit auf eine reichhaltige Quellenlage zurückgreifen kann, mag auch daran liegen, dass die Zettel, vergleichbar vielleicht zu heutigen Amtsblättern, gesammelt wurden. Es habe sogar für viele Gesellschaftsgruppen eine Abo-Pflicht gegeben. Dieses kostete jährlich einen Taler, Einzelausgaben habe es für einen halben Groschen gegeben.
Was uns aber die studierte Kunsthistorikerin Marion Rudel schon jetzt darüber hinaus berichten kann, ist, dass man anhand der Texte in den Intelligenz-Zetteln durchaus ein sprechendes Bild von gewissen weniger erfreulichen gesellschaftlichen Aspekten aus der Zeit bekommt. „Es ist fast wie die Sendung Aktenzeichen XY“, scherzt die Wissenschaftlerin. Denn dort ist von schweren Überfällen, mit Schlägen, Fesselungen, Leichen und Co. zu lesen. Räuber und Verbrecher anderer Art waren auch im 18. Jahrhundert, das uns aus heutiger Perspektive oft so idealisiert entrückt erscheinen mag, nicht zimperlich.