Konzert Für Alice Cooper ist „70 das neue 40“
Im Herbst kommt der König des Schock-Rock in den König-Palast. Mit der WZ sprach Alice Cooper über sein neues Album „Paranormal“, Sonntags-Kirchgänge und Bibelstunden, Golfspielen mit Trump und seine Freundschaft zu Johnny Depp.
Krefeld. Seit zehn Stunden hockt Alice Cooper in einem Konferenzraum eines Berliner Luxushotels und ist immer noch bester Laune. Die schwarzen Haare umranden sein hageres Gesicht, seine Augen sind auch tagsüber von Kajal verschmiert.
In der Hauptstadt ist der „King of Shock Rock“ und passionierte Golfspieler, um sein neues Album zu bewerben, mit dem er im November im Rahmen seiner Deutschland-Tournee auch in den König-Palast nach Krefeld kommt. „Paranormal“ klingt überaus vital für einen 69-Jährigen. „70 ist das neue 40“, sagt Alice Cooper — und man glaubt es ihm aufs Wort.
Mr. Cooper, verraten Sie uns drei Dinge, die man nicht über Sie weiß?
Alice Cooper: Ich bin Experte im Messerwerfen! Sehen Sie das Poster mit meinem Namen dort hängen? Ich könnte aus der Fünf-Meter-Distanz zehn Messer in dem O von Cooper versenken und noch mal zehn im anderen O. Ich habe es mir über die Jahre auf meinen Tourneen Backstage beigebracht. Das Zweite ist: In der sechsten Klasse gewann ich den „Pony Contest“. Das ist ein spaßiger Tanz mit Drehungen, Seitwärtsschritten . . . Wer wissen will, wie der Pony aussieht, muss sich nur „Hairspray“ anschauen. Kein Typ war besser als ich in der Disziplin — ich war der Pony-Champion!
Und die dritte Sache?
Cooper: In Phoenix gehe ich Mittwochmorgens gerne zum Bibelstudium. Wenn der Lehrer nicht auftaucht, was öfter vorkommt, übernehme ich den Unterricht. Meist vermittele ich dann Grundlegendes. Aber ich kenne mich aus: Ich lese jeden Tag in der Bibel und gehe jeden Sonntag in die Kirche.
Werden Sie bei Ihren Kirchgängen auch um Gästelistenplätze für Ihre Shows gebeten?
Cooper: Das kommt vor. Christlicher Glaube bedeutet mehr als nur in der Kirche rumzusitzen. Es ist eine persönliche Beziehung zu Gott. Als ich Christ wurde, sagte ich zum Pastor: „Ich weiß nicht, ob ich weiterhin Alice Cooper sein kann.“ Aber er antworte: „Gott hat dir nicht das Talent gegeben, damit du dich in der Ecke versteckst. Aber folge ihm in deinem Lifestyle. Sei der beste Rockstar, der du sein kannst!“ Ich habe den Alice-Cooper-Charakter angepasst, so dass er nicht im Widerspruch zu meinem Glauben steht. Ich war eh nie satanisch, es war immer eher Comedy auf der Bühne, auch wenn es für Eltern angsteinflößend aussah. Und gegen Theater hat Gott nichts.
Woher kommt Ihre Hinwendung zu Gott?
Cooper: Meine Eltern waren beide gläubige Christen, aber cool und nicht militant. Mein Vater war Pastor. Mein Großvater war sieben Jahre lang Wanderprediger. Ich bin mit ihren Lehren aufgewachsen und habe das genossen. Doch als Teenager kam die Zeit, in der ich mich so weit davon entfernte wie ich nur konnte. Ich wurde Alice Cooper und verfiel dem Alkohol. Ich wäre fast daran gestorben. Ich hörte den Ruf der Kirche. Ich machte meinen Frieden damit und musste zu dem zurückgehen, was ich kenne.
Und das gab Ihnen Seelenheil?
Cooper: Seit 35 Jahren habe ich kein Glas Alkohol mehr angerührt, bin nicht im Stripclub gewesen. Seit 41 Jahren bin ich mit meiner Frau Sheryl verheiratet und habe sie nie betrogen. Wir sind sehr glücklich mit unserem Glauben und haben den Spaß unseres Lebens. Das gilt im Übrigen auch für unsere Kinder.
Was machen Ihre Kinder?
Cooper: Mein Sohn hat eine Heavy-Metal-Band mit christlichen Texten. Meine Tochter macht Improvisions-Comedy und ist Sängerin in der Rockband Beasto Blanco. Und meine jüngste Tochter ist Make-up-Artist. Mein Job hat auf meine Kinder abgefärbt. Wir sind eine ziemlich durchgeknallte Familie. Und wir sind alle gläubige Christen.
Denken Sie, der Glaube könnte auch Ihrem Freund Johnny Depp, mit dem Sie im vergangenen Jahr als Hollywood Vampires durch die Welt getourt sind, bei seinen Problemen helfen?
Cooper: Wir haben unser einziges Deutschland-Konzert just an dem Tag gespielt, an dem die schlimmen Schlagzeilen über Johnny und seine Ehe mit Amber (Anm. d. Red. Schauspielerin Amber Heard ist die Ex-Frau von Depp, in der Beziehung wurden Gewaltvorwürfe laut) einbrachen. Johnny sagte nur: „Ich bin so froh, gerade auf Tour zu sein.“ 99 Prozent der Vorwürfe waren eh Bullshit. Ich kenne Johnny so gut, er ist der süßeste Typ der Welt und wie ein kleiner Bruder. Genauso wie Joe Perry. Wir hatten einige „Come To Jesus“-Talks. Wir passen aufeinander auf. Für Johnny ist die Band eh die beste Therapie.
Inwiefern?
Cooper: Er ist nicht mehr so introvertiert. Er will Leute treffen, geht raus auf die Straße, gibt den Leuten Autogramme. Er hat so was früher nicht gemacht. Auch wenn ich Amber mochte, aber seit er von ihr getrennt ist, ist er sehr viel spaßiger drauf. Er kommt pünktlich zum Konzert, ist immer bereit zu spielen. Er ist eh ein toller Gitarrist. So langsam verstehen die Leute, dass Johnny Depp ein Rockstar ist, der zufällig Schauspieler geworden ist.
Auf Ihrem neuen Album gibt es den Song „Paranoiac Personality“. Dabei scheint es auch um die Paranoia des Promi-Daseins zu gehen.
Cooper: Klar, wenn du von heute auf morgen ein Celebrity wirst, gibt es die Bedienungsanleitung nicht dazu. Letzte Woche warst du noch ein Niemand, diese Woche hast du eine Nummer Eins, und die Leute schmeißen mit Geld nach dir. So war es bei mir: vom Außenseiter zum Hit-Typen in einer Woche. Dass ich den exzessiven Charakter Alice Cooper irgendwann abgekoppelt habe von meinem Privatleben, hat mich gerettet. Denn Leute wie Jim Morrison, Jimi Hendrix oder Chris Cornell haben versucht, sowohl auf und fernab der Bühne dieselbe Person zu sein. Das kann man nur mit Drogen schaffen. Und das hat sie umgebracht.
Wie kommt es eigentlich, dass Sie mit jedem so gut auskommen? Selbst von der Alice Cooper Band, die nun wieder auf Ihrem Album dabei ist, haben Sie sich Ende 1974 in Freundschaft abgeseilt.
Cooper: Ich brauche keine Feinde. Ich versuche, jeden Menschen genau gleich zu behandeln. Ich behandle den Mitarbeiter, der nach der Show bei uns sauber macht, genauso wie den Gitarristen meiner Band. Wenn er Geburtstag hat, während wir auf Tour sind, gibt es dieselbe fette Party als wenn ich Geburtstag habe. Und ich sage meiner Band immer: „Wenn ihr auf der Bühne seid, holt das Ego raus und seid die Größten. Wenn ihr runter seid, will ich, dass ihr bescheiden bleibt.“ Deshalb scheint Backstage bei uns immer die Sonne.
Was hat eigentlich mehr Spaß gemacht — Ihr Duett mit Miss Piggy oder den Adoptivvater von Freddy Krueger zu spielen?
Cooper: Piggy war verknallt in mich. Sie war ein Groupie und ist über mich hergefallen. Ich hatte ihre kleinen Hufabdrucke auf dem ganzen Körper. Obendrein war Kermit noch eifersüchtig auf mich. Freddy und ich waren indes ein Dreamteam. Das Schwierigste war, keinen Lachanfall zu bekommen, als er mir das Rasiermesser in mein Auge drücken wollte. Das geht mir generell so, wenn ich Horror präsentieren soll: Ich habe immer zu viel Spaß dabei und muss loslachen.
Sie sind passionierter Golfer. Es war vor Kurzem zu lesen, dass Donald Trump 21 Prozent seiner Präsidentschafts-Zeit mit Golfspielen verbracht haben soll. Was sagt das über einen Präsidenten aus?
Cooper: Das ist die eine Sache, wo ich vollkommen mit Trump übereinstimme. Wenn ich Präsident wäre, wären es wohl 50 Prozent. Trumps Golfplätze sind übrigens echt gut. Wir waren auch schon mal beide bei einem Golfturnier von Michael Douglas eingeladen.
Sagt man nicht, beim Golfspielen merkt man, ob jemand ein Betrüger ist?
Cooper: Ich habe noch nie einen Golfer getroffen, der nicht betrügt! Wenn du mit deinen Freunden spielst, versucht sich jeder Vorteile zu verschaffen. Wenn um Geld gespielt wird, ist das natürlich etwas anderes. Trump spielte damals in einer Gruppe vor mir, aber ich kam gut mit ihm klar. Er war damals einfach nur Geschäftsmann. Niemals hätte ich gedacht, dass er Präsident werden würde. Aber er wurde gewählt, weil die Leute die Nase voll hatten von Politikern. Viele Leute halten Amerika eh für eine Art Wirtschaftsunternehmen. Also warum nicht gleich jemanden nehmen, der sich mit dem Geschäftemachen auskennt?
Sie sympathisieren mit ihm?
Cooper: Trump braucht dringend jemanden, der sich um seine Außenpolitik kümmert, so viel ist sicher. Ansonsten redet und twittert er, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Auf eine gewisse Art ist das erfrischend.