Grabungsabend: Die alten Linner waren fußkrank
Ein Halsring, ein Plattenpanzer und alte Schuhe: Die Archäologen berichteten von ihren Forschungen im Jahre 2006.
Krefeld. Was hat ein spätgotischer Plattenpanzer in einem alten Brunnen an der Geismühle zu suchen? Woher kam die junge Frau, der ein Halsring ins Grab gelegt wurde? Warum warf ein mittelalterlicher Flickschuster aus Linn so viel Leder in den Bach? Mit solchen und anderen Fragen beschäftigten sich die Archäologen beim schon traditionellen Grabungsabend, der einen Überblick über die Forschungen des vergangenen Jahres gab.
Das Rätsel vom Plattenpanzer ist wohl nicht mehr zu lösen. Dafür breitete der Linner Museumschef Christoph Reichmann in einem überaus gelungenen Vortrag die gesamte Geschichte der Mühle im Oppumer Süden aus. Die geht, wie die WZ berichtete, weit zurück. Schon um 1470 war der einstige befestigte Auslug, eine kleine Burg mit großem Graben und neu entdecktem Brunnenloch, schon zur Mühle umgebaut worden. Noch im Jahre 1641 hatten Landsknechte dort den Mühlenknecht erschlagen und die Mühle angesteckt. Den Brand hatte der belagerte Müller noch mit seinem Biervorrat zu löschen versucht.
Archäologen müssen sich hin und wieder korrigieren. Dies tat auch Margareta Siepen, die am Bonner Landesmuseum beschäftigt ist und den Inhalt des vor mehr als 20 Jahren aufgedeckten Grabes Nr. 4959 noch einmal unter die Lupe nahm. Vor allem ein bronzener Halsring war es, der den Ansatz zur Neuinterpretation des Grabes gab.
Dieser Ring ist offenbar einem "Torques" nachgebildet, einem Ring, den sich schon im 6. Jahrhundert (v. Chr.) Keltenfürsten als Herrschaftszeichen um den Hals legten. Das Brandgrab enthielt 16 Keramikgefäße dazu Emaillefibeln, ein Waschbecken und Reste knöcherner Kastenbeschläge, die vermuten lassen, dass es sich bei der hier bestatteten jungen Frau um eine Keltin handelte, wohl die Frau eines Legionärs.
Das Rätsel einer 1,6 Kilo schweren Bleiplatte mit dem Relief einer stehenden Herkules-Figur konnte Robert Fahr klären. Wahrscheinlich handelt es sich um ein Produktionsteil, mit dem Wanderhandwerker oder römische Legionäre selbst Punzierarbeiten am Schmuck ihrer Brustpanzer oder Beinschienen vornahmen. Vergleichbare Belege gibt es etwa vom britischen Hadrianswall.
Die mittelalterlichen Linner hatten Ärger mit ihren Füßen. Das glaubt Patrick Jülich aus den 240 Lederlappen zu lesen, die schon im späten 13. Jahrhundert ein Flickschuster in den Mühlenbach warf. Immer wieder die gleichen Defekte und Schäden. Allerdings: Von der Mode her versteckten sich die alten Linner mit ihrem Schuhwerk nicht hinter den Bewohnern großer Städte. Da waren sie ganz auf der Höhe der Zeit. Sogar erste Ansätze zu Absätzen fand Jülich.
In einem sehr bewegenden Vortrag würdigte zuletzt Professor Renate Pirling den kürzlich verstorbenen Restaurator Joachim Hamacher, der zu den "Glücksfällen" ihrer Laufbahn gehört hatte.